Gladbacher Gemeinde erfreut über Einlenken des Bistums

"Fehler eingestehen ist eine Stärke"

Nach großem Aufruhr wurde ein Modellprojekt zur Neustrukturierung der Gemeinden in Bergisch Gladbach auf Eis gelegt. Nun sollen die Gläubigen mitbestimmen. Ein Gemeindemitglied zollt dem Erzbistum Köln Respekt für diesen Schritt.

Symbolbild Kreuz auf Kirchturmspitze / © Jens Schulze (epd)
Symbolbild Kreuz auf Kirchturmspitze / © Jens Schulze ( epd )

DOMRADIO.DE: Das Pilotprojekt wird jetzt erst mal auf Eis gelegt. Wie ist denn diese Nachricht bei Ihnen in der Gemeinde aufgenommen worden?

Andreas Nix (Mitglied im Kirchenvorstand der Gemeinde St. Johann Baptist in Bergisch Gladbach-Refrath): In der Gemeinde ist diese Nachricht mit großer Freude und mit Applaus aufgenommen worden. Die Messdiener, die das schon vorher mitbekommen hatten, waren ganz zahlreich erschienen, um damit auch noch einmal deutlich zu machen, was das bedeutet, hier in unserer Pfarre.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet es jetzt? Vor allen Dingen auch mit Blick auf die Zukunft Ihrer Gemeinde? Ist die Zusammenlegung erst einmal vom Tisch oder nur aufgeschoben?

Nix: Da muss man zunächst noch mal differenzieren. Es geht grundsätzlich nicht um die Zusammenlegung. Da ist unsere Gemeinde dabei, und da hat sie auch gar nichts dagegen. Das sehen wir auch grundsätzlich so, dass das sein muss. Aufgrund weniger Gläubiger und auch weniger Geistlichen, die es gibt.

Es ging vielmehr darum, dass abweichend von einer Mitteilung von Monsignore Bosbach aus dem November letzten Jahres plötzlich alles, was dort geschrieben stand, nicht mehr galt. Mit der Verkündigung des Proklamandums wurde das quasi als nicht mehr gültig dargestellt.

Dort war beschrieben, dass wir mindestens bis zum November 2023 Zeit hätten, um im Rahmen der Diskussion dann dieses Zusammenfinden zu gestalten und es auch erst dann zu diesem Zeitpunkt personelle Entscheidungen gibt. Und das Problem war eben, dass diese personellen Entscheidungen dann plötzlich innerhalb von anderthalb Monaten durchgesetzt werden sollten und es quasi überhaupt keine Mitbestimmung gab.

DOMRADIO.DE: Sie hatten in Ihrer Gemeindeversammlung explizit gefordert, diesen Prozess zu stoppen. Sind Sie jetzt doch überrascht, dass die Meinung des Kirchenvolks berücksichtigt wird?

Andreas Nix

"Ich persönlich sehe es als besondere Stärke, dass man sich in der Lage sieht, auch eine Entscheidung zurückzunehmen, die man als falsch erkennt."

Woelki nimmt Proklamandum für Bergisch Gladbach zurück

Nach den Rückmeldungen der Gremien vor Ort hat Kardinal Woelki die Entscheidung getroffen, das jüngste Proklamandum für die fünf Bergisch Gladbacher Seelsorgebereiche zurückzunehmen. Darüber wurden die Gemeinden nun informiert.

Damit wird es zum 1. März kein Modellprojekt in Bergisch Gladbach geben und die Pfarrer Christoph Bernards, Wilhelm Darscheid, Norbert Hörter und Winfried Kissel bleiben als kanonische Pfarrer in ihren bisherigen Aufgaben und Einsatzorten; Pfarrer Hörter bleibt Pfarrverweser im Seelsorgebereich Bensberg/Moitzfeld.

Kardinal Rainer Maria Woelki / © Theo Barth (KNA)
Kardinal Rainer Maria Woelki / © Theo Barth ( KNA )

Nix: Wir haben es uns gewünscht und wir wissen, dass es schwierig ist und Überwindung kostet, eine Entscheidung zurückzunehmen. Ich persönlich sehe es als besondere Stärke, dass man sich in der Lage sieht, auch eine Entscheidung zurückzunehmen, die man als falsch erkennt. So wie Kardinal Woelki es hier auch mitgeteilt hat, dass dort Fehler passiert sind. Das zeigt: Wir haben die Stärke, wir können das auch zurücknehmen. Das finde ich großartig.

DOMRADIO.DE: Was ist denn Ihre zentrale Kritik gewesen in den vergangenen Wochen? So ein bisschen hat man es ja schon rausgehört, dass das einfach von oben quasi bestimmt worden ist.

Nix: Es war ganz klar eine Top-Down-Entscheidung. Man hat in irgendwelchen Gremien beschlossen, das wird jetzt umgesetzt, das Modellprojekt. Wir hatten vor dem Proklamandum noch gar nichts gehört, dass es überhaupt ein Modellprojekt gibt. Und es wurde auch vorher nicht kommuniziert.

Das ist natürlich das Problem. Normalerweise sollte man es wenigstens mit den Betroffenen dann auch kommunizieren und auch erläutern. Was bedeutet das Modellprojekt? Auch was Modellprojekt bedeutet, ist ja bis heute nicht klar.

DOMRADIO.DE: Ist das jetzt vielleicht auch eine Ermutigung für viele andere Gläubige, für das, was ihnen in der Kirche wichtig ist, zu kämpfen?

Nix: Ich glaube ja. Das macht Mut. Wir haben das am Sonntagabend gesehen. Wir hatten hier in Refrath die Bergisch Gladbacher Gremienvertreter, die gewählten Vertreter aus Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderäten eingeladen. Die Diskussion war sehr lebendig und sehr entspannt, natürlich aufgrund der Rücknahme des Proklamandums. Und da konnte man schon große Erleichterung spüren.

DOMRADIO.DE: Ihr Pfarrer Winfried Kissel, der wird ja vorerst dann auch bleiben können. Warum war das Ihnen wichtig und auch Ihrer Gemeinde?

Nix: Pfarrer Kissel hatte in den letzten 18 Jahren seines Wirkens eine Menge aufgebaut. Er hat die Mitglieder der Pfarre zusammengeschweißt. Er war eine sehr vertrauensvolle Person, auch über die Grenzen unserer Pfarrgemeinde hinaus.

Andreas Nix

"Die Menschen treten ja nicht aus, weil sie nicht mehr glauben oder weil sie nichts mehr mit Gott zu tun haben wollen."

Einen solchen Seelsorger zu verlieren, ist schon eine sehr, sehr schwierige Situation. Denn gerade in heutigen Zeiten brauchen wir Seelsorger gerade in den Problemen, die wir haben, gerade nach Covid. Und viele Menschen suchen auch danach. Die Menschen treten ja nicht aus, weil sie nicht mehr glauben oder weil sie nichts mehr mit Gott zu tun haben wollen. Die Menschen haben daraufhin ja angedroht auszutreten wegen der Institution, was sie mit den Menschen macht, das nicht gefällt. Und Kissel stand für Seelsorge und das ist hier eben wichtig.

DOMRADIO.DE: Jetzt soll ja ergebnisoffen über dieses Modellprojekt in Bergisch Gladbach diskutiert werden. So hieß es zumindest von Seiten des Erzbistums. Bis zu den Sommerferien 2023 geht es darum, das Votum abzugeben, ob sich die einzelnen Seelsorge-Bereiche für oder gegen die Teilnahme am Modellprojekt entscheiden. Gibt es dazu schon eine Position von Ihrer Gemeinde?

Nix: Nein, dazu gibt es noch keine Position. Es müsste auch erst einmal "Modellprojekt" definieren. Wir haben ja zwei Dinge. Das eine ist das Programm #Zusammenfinden. Unter diesem Programm sollen sich die Gemeinden zusammenfinden durch Gespräche, Diskussionen, Information.

Das zweite, das obendrauf gesetzt ist, ist ein Modellprojekt, mit dem irgendetwas ausprobiert werden soll. Was das ganz genau ist, hat noch niemand detailliert definiert. Und das müsste erst einmal geklärt werden, bevor man überhaupt einem Modellprojekt, wie auch immer das geartet ist, zustimmen könnte.

Das Interview führte Elena Hong.

 

Quelle:
DR