Gewalt macht Kolumbiens Kirche den Alltag schwer

Gottesdiener auf der Flucht

Der junge Pfarrer hatte keine Chance: Mit einem gezielten Kopfschuss streckte der Killer den 26-jährigen Luis Carlos Orozco in Rionnegro nieder. Die blutige Tat in der Nähe der Millionenstadt Medellin vor genau einer Woche war beileibe kein Einzelfall: Seit 1984 zählt die Kolumbianische Bischofskonferenz 75 ermordete Geistliche.

Autor/in:
Tobias Käufer
 (DR)

Schon seit Jahren erhalten Bischöfe deshalb eine Sicherheitseskorte, wenn sie sich auf den Weg zu öffentlichen Auftritten machen. Das Klima für die Gottesdiener ist in Kolumbien in den vergangenen Jahren noch einmal schlechter geworden. Vor wenigen Tagen räumte der Vorsitzende der Kolumbianischen Bischofskonferenz, Erzbischof Ruben Salazar, in einem Interview mit der Tageszeitung "El Tiempo" ein: "Wir mussten einige Pfarreien verlegen. Zudem mussten Pfarrer das Land verlassen, um im Ausland Schutz und Sicherheit zu finden." Besorgt registriert die Spitze der kolumbianischen Kirche, dass immer mehr Pfarrer das Land verlassen müssen, weil sie in der Heimat keinen ausreichenden Schutz erhalten.



Zahlreiche Drohungen und Repressalien gehen laut Salazar auf das Konto der Drogenmafia oder des illegalen Bergbaus. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass auch offizielle Behörden, die die Geldwäsche unterstützten, Druck ausübten.



Nach offiziellen Angaben operieren in 16 der 32 kolumbianischen Departements sieben illegale bewaffnete Gruppierungen. Einige von ihnen stammen aus früheren paramilitärischen Verbänden, die nun für die Drogenkartelle arbeiteten. Sie sind in der Mehrzahl für die Drohungen gegen Priester verantwortlich, die das Treiben der kriminellen Banden öffentlich machen.



Rechte Gewalt

Gewalt kommt neuerdings von rechts. Nachdem die Regierung in Bogota den Terror der linksgerichteten Guerillaorganisation FARC mit aller Härte bekämpfte, sicherten sich die ultrarechten paramilitärischen Verbände ihren Platz im entstandenen Machtvakuum. Ihnen geht es vor allem um den Ausbau und die Kontrolle ihrer Marktanteile im milliardenschweren Drogenhandel. Mutige Priester, die sich ihnen in den Weg stellen, stören da nur. Reichen Morddrohungen nicht aus, wird geschossen.



Die Repressalien haben auch politische Hintergründe. Der Versuch der Regierung, den von paramilitärischen Verbänden vertriebenen Binnenflüchtlingen ihr Land zurückzugeben, stößt auf erbitterten Widerstand der kriminellen Banden. Mit gefälschten Dokumenten versuchen sie, die Ländereien für sich zu beanspruchen - und finden offenbar genug Helfer in der Justiz. "Die Korruption bringt unser Land noch um", kritisiert Salazar die Unfähigkeit des Staates, gegen Bestechlichkeit vorzugehen.



Die Kirche unterstützt entsprechende, von Staatspräsident Juan Manuel Santos forcierte Gesetze als richtige Schritte hin zu Versöhnung und Gerechtigkeit. Doch mit ihrem Engagement im Friedensprozess stößt sie an Grenzen. Die Mafiabanden "Los Urabenos", "Los Paisas" und "Los Rastrojos" seien zwar gewillt, sich "sich dem Rechtsstaat zu unterwerfen", so Bischof Julio Cesar Vidal von Monteria. Die Hauptstadt der Provinz Cordoba gilt als Hochburg der paramilitärischen Gewalt. Die Zentralregierung aber lehnt Gespräche darüber ab: "Mit Terroristen verhandeln wir nicht", erklärte Innenminister German Vargas. Für Mitarbeiter der Kirche werden die unruhigen Zeiten in Kolumbien noch länger andauern. Wann es den ermordeten Geistlichen Nr. 76 geben wird, ist wohl nur eine Frage der Zeit.