Volker Beck kritisiert SPD-Wahlkampfspot

"Gesellschaftliches Klima nicht vergiften"

Man dürfe niemanden wegen seines Glaubens angreifen, sagt der vormalige Grünen-Politker Volker Beck zu einem umstrittenen SPD-Wahlkampf-Spot. Er sieht aber religionspolitische Themen, die dringend diskutiert werden müssten.

Volker Beck / © Roland Weihrauch (dpa)
Volker Beck / © Roland Weihrauch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Passt es zu einer demokratischen Partei wie der SPD, jemanden wegen seiner religiösen Überzeugungen an den Pranger zu stellen?

Volker Beck (ehemaliger religionspolitscher Sprecher der Grünen und Lehrbeauftragter am Zentrum für Religionswissenschaftliche Studien an der Universität Bochum): Nein, das ist ein Rückfall in frühere Zeiten. Wir haben es ja eigentlich heute geschafft, dass Religion und Politik als Sphären sich gegenseitig respektieren, aber sich auch gegen Instrumentalisierung verschließen. Und natürlich kann man Nathanael Liminskis Verbindungen bis in das Netzwerk derer von Storch kritisieren. Man kann auch kritisieren, was er womöglich zur Abtreibung, zur Homo-Ehe oder dergleichen meint.

Aber was man nicht kritisieren kann, ist, dass er katholisch ist, oder, ich weiß immer gar nicht, was es bedeuten soll, erzkatholisch, also irgendwie katholisch hoch zwei. Das, finde ich, geht nicht. Und es riecht ein bisschen nach neuen Zeiten, wo Religiosität per se schon etwas Vorgeprägtes ist, wovor man warnen muss. Kritik an dieser Person oder Nachfragen zu dieser Person kann man gerne äußern, aber nicht bezogen auf den Glauben. Und so sagt es natürlich auch das Grundgesetz in Artikel 3: Niemand soll wegen seiner religiösen Anschauungen und seines Glaubens diskriminiert werden. Das bitte auch im Wahlkampf.

DOMRADIO.DE: Sie haben sich ja, wie jetzt auch hier, schon in den letzten Tagen zu diesem Spot geäußert. Auf Twitter bekommen Sie Kommentare wie: Warum verteidigen Sie einen christlichen Fundamentalisten? Ist das denn das, was Sie damit beabsichtigen?

Beck: Nein, überhaupt nicht. Aber jeder, selbst ein christlicher Fundamentalist, ist erst einmal ein Grundrechtsträger und hat einen Anspruch auf einen fairen Umgang. Und erst wenn es um Differenzen geht, zeigt sich, wie ernst man es mit Respekt, gleichen Rechten und Nichtdiskriminierung meint. Wenn es um den eigenen Club geht, reicht es zu sagen: Wir sind die Besten, wir sind die Größten. Gerade das muss sich aber in den in der Art der Kritik an anderen erweisen. Und ich finde, da sind Nachfragen durchaus erlaubt. Und die stelle ich auch selbst. Was ist mit seinen Verbindungen? Das soll er schon mal sagen. Aber man kann ihn nicht wegen seines katholischen Glaubens oder überhaupt wegen eines Glaubens in die Ecke stellen.

DOMRADIO.DE: Sie haben in einem Interview im Deutschlandfunk gesagt, aus dem Glauben heraus folge nicht zwingend eine politische Haltung. Hat denn diese vereinfachte Darstellung von Liminskis Haltung in dem Spot überhaupt politische Relevanz?

Beck: Die Aussage, dass er gegen Sex vor der Ehe ist, ist natürlich nicht politisch relevant, sondern es ist eine sexuelle Praktik und Vorliebe. Es wäre nicht meine Welt, ganz im Gegenteil. Aber natürlich gehört es auch zur Freiheit eines Menschen, seine Sexualität so zu organisieren. Und wenn er mit sich im Reinen ist und nicht andere Leuten in ihren Rechten beschränken will, dann ist das egal. Wenn ich sagen würde, Jugendliche sollen keinen Zugang zu Verhütungsmitteln bekommen, dann wird es politisch. Und dann müsste man es angreifen. Aber das ist mir jetzt auch von ihm nicht bekannt. Und ein paar Sachen, die man ihm vorwerfen kann oder wo man ein weing die Stirn runzelt, die hat er vor über zehn Jahren geschrieben. Ob das noch seine aktuellen Positionen sind oder ob das die Sturm-und-Drang-Zeit eines jungen Politikers war, muss man ja auch nochmal diskutieren. Man muss im Laufe seines Weges dazulernen können. Das ist doch das, was wir in der Demokratie immer hoffen: dass wir alle miteinander noch ein bisschen schlauer werden.

DOMRADIO.DE: Ist dieser Spot von der SPD sowas wie eine Zäsur? Müssen wir uns jetzt öfter auf sowas einstellen?

Beck: Allzu hoch würde ich das auch nicht hängen. Dieser Spot besteht ja aus zwei Bildern: einmal eine Matrjoschka, die schaut, was im Kanzlerkandidaten Scholz steckt. Und das ist ganz respektabel, da wird eben Olaf Scholz mit sozialen Anliegen der Gesellschaft verbunden. Und dann eben eine Matrjoschka, die guckt, was im Kandidaten Laschet steckt. Und grundsätzlich finde ich, darf man so etwas auch machen. Man sagt, wir stehen für das, die anderen stehen für das Gegenteil. Das ist schon zulässig. Aber ich finde, wir sollten immer gucken, dass wir das gesellschaftliche Klima nicht vergiften. Und wir sollten gucken, dass die Sachen transparent laufen.

Ich würde mich, anstatt mich auf den Glauben von Herrn Liminski zu konzentrieren, eher fragen: Was ist da eigentlich los mit einem Interview, das es einmal in der türkischen Presse von Armin Laschet gegeben hat? Was ist los, dass man die DITIB in die Religionskommission gesteckt hat? Hat das was mit dem Wahlkampf zu tun? Solche Fragen, die auch das Thema Religion und Politik betreffen, werfen ein viel schwierigeres Licht auf diese Thematik. Und dem muss man nachgehen. Denn da geht es um die Frage, welches Verhältnis Wahlkampfinteressen und die Interessen des Landes zueinander haben. Über solche Inhalte sollten wir diskutieren, statt Menschen aufgrund von bestimmten Eigenschaften herunterzumachen.

Das Interview führte Julia Reck.


Nathanael Liminski im September 2020 / © Roland Weihrauch (dpa)
Nathanael Liminski im September 2020 / © Roland Weihrauch ( dpa )
Quelle:
DR