Geschichte der Migration erstmals in einem virtuellen Museum

Besuche rund um die Uhr möglich

Zu jeder Zeit und in 3D: Ein Verein aus Köln zeigt Deutschlands Migrationsgeschichte in einem virtuellen Museum. Es ist das erste seiner Art, so die Initiatoren. Und es soll nicht beim virtuellen Raum bleiben.

Autor/in:
Von Leticia Witte und Anna Fries
Migration prägt Deutschland / © Arno Burgi (dpa)
Migration prägt Deutschland / © Arno Burgi ( dpa )

Interviews mit Zeitzeugen, Objekte wie Schaukelpferd und Koffer, eine fiktive Stadt: Das nach Angaben der Initiatoren erste virtuelle Museum für Migration in Deutschland hat am Montag in Köln offiziell eröffnet. Wer es besucht, kann demnächst in 40 Interviews mit Zeitzeugen deren Migrationsgeschichte erfahren. Oder sich in einem 3D-Rundgang durch eine fiktive Stadt mit diversen Gebäuden wie Bahnhof, Schule und Fabrik mehr als 1.000 digitalisierte Objekte zum Thema Einwanderung ansehen.

Nach der Eröffnung wird es nach Angaben des Dokumentationszentrums und Museums über die Migration in Deutschland (DOMiD) voraussichtlich noch etwa zwei Wochen dauern, bis Besucher sich auf die ersten virtuellen Rundgänge machen können. Das DOMiD hat das Museum auf die Beine gestellt und will damit vermutlich in 14 Tagen online gehen.

Ein bestimmendes Thema der Diskussion

"Migration formt unsere Gesellschaft schon immer. Gegenwärtig ist es zu einem bestimmenden Thema der öffentlichen Diskussion geworden", erklärte DOMiD-Geschäftsführer Robert Fuchs. Mit dem neuen Museum sollten im Bereich "Erinnerungskultur in der Migrationsgesellschaft" Pionierarbeit geleistet und "Impulse für ein multiperspektivisches Geschichtsbild" gesetzt werden. "Dazu ist es wichtig, denen eine Stimme zu geben, die bis jetzt in der Gesellschaft kaum zu Wort kommen: die Migrantinnen und Migranten."

Das Museum will die Lebensgeschichten von Menschen erzählen: Geplant ist, Schlafräume, Bahnhöfe, Koffer oder südländische Supermärkte in der fiktiven Stadt zu zeigen. Sie sollen einen Einblick in das Leben der Migranten geben und verschiedene Wanderungsformen wie Binnen-, Arbeits- oder Zwangsmigration thematisieren.

Der Besucher wähle im virtuellen Raum selbst, welche Zeit, welche Räume und Exponate er sich anschauen wolle, hieß es. Hinterlegt sind den Angaben zufolge drei Zeitebenen: von 1945 bis zum Anwerbestopp für Gastarbeiter 1973, von 1973 bis zum Mauerfall und von dort bis in die Gegenwart. Zudem würden neben den Zeitzeugeninterviews Videos, Texte und Audiodateien zur Verfügung gestellt.

Zeitzeugen erzählen

Zu den Interviewten gehören Christel Neudeck, die mit ihrem 2016 verstorbenen Ehemann Rupert Neudeck die Hilfsorganisation Cap Anamur gegründet hat. Sie erzählt den Angaben zufolge in ihrem Interview über den Beginn der vietnamesischen Migration nach Deutschland und das Unterfangen der Seenotrettung durch die Cap Anamur. Ein anderer Zeitzeuge ist Ibrahim Arslan, der die rechtsextrem motivierten Anschläge von Mölln im Jahr 1992 überlebte. Er berichte unter anderem über die Tatnacht und die Bedeutung von Erinnerungskultur, hieß es.

Projektleiterin Fatma Uzun betonte, dass es den Initiatoren wichtig gewesen sei, ein "interaktives Lernangebot für Menschen zu schaffen, die sich ohnehin zunehmend im digitalen Raum aufhalten". Und: Das Museum kann von jedem Ort der Welt, an dem es einen Internetzugang gibt, besucht werden - rund um die Uhr. Wahlweise kann der virtuelle Rundgang auch mit einer Virtual-Reality-Brille unternommen werden, um den Rundgang in 3D zu erleben.  

Spezielle Scantechnologie

Die Objekte sind Teil der DOMiD-Sammlung und wurden den Angaben zufolge mit einer speziellen Scantechnologie für 3D-Digitalisierung vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD gestaltet. Die Bundeszentrale für politische Bildung fördert den Angaben zufolge das Projekt, das vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) finanziert wird. In Kürze sollen auf der Website Anwendungen wie eine Desktop-Version, eine Version für eine VR-Brille, eine Browser- und eine Smartphone-Anwendung heruntergeladen werden.

Die Geschäftsstelle von DOMiD will künftig auch Führungen im virtuellen Raum sowie Vorführungen in Köln vor Ort anbieten. Doch es soll nicht beim virtuellen Raum bleiben: Das DOMiD plant ein reales, großes Museum für Migration in Köln, wie Timo Glatz von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sagte. Derzeit sei man mit Land und Bund im Gespräch. Bis dahin bleibt das Thema erst einmal im virtuellen Raum.


Quelle:
KNA