Gerüst zur Dachsanierung im Erfurter Ursulinenkloster steht

Jetzt kann saniert werden

Die Dachsanierung des alten Konventgebäudes im Erfurter Ursulinenkloster schreitet voran. Beim Gerüst waren Profis am Werk: Die Firma hatte 1996 die gesamte Fassade des Petersdomes eingerüstet. 2024 soll die Sanierung fertig sein.

Gerüst über dem Dachstuhl (Bistum Erfurt)

Mittlerweile hat die Firma Teupe & Söhne den ganzen Bau eingerüstet. Die Gerüstbauer aus Stadtlohn im Münsterland beschränkten sich dabei nicht auf die Fassaden. Auch das Dach ist mit unzähligen Metallrohren und Laufplanken überbaut. Das Ganze krönt ein sogenanntes Wetterschutzdach, unter dem selbst bei heftigen Niederschlägen gearbeitet werden kann. Dank dieser Rundum-Konstruktion hat das Konventgebäude jetzt die Ausmaße einer kleinen Kathedrale angenommen. 

Ursulinenkloster Erfurt

Das Ursulinenkloster ist das einzige noch bestehende Kloster in Erfurt. Die ersten Ursulinen kamen 1667 nach Erfurt. Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn übergab ihnen das fast leer stehende Kloster der Magdalenerinnen am Anger mit dem Auftrag der Bildung und Erziehung von Mädchen.

Seit 350 Jahren wirken die Ursulinen an diesem Ort und haben vielfältige pädagogische Projekte initiiert und voran gebracht. Heute sieht der Konvent seine Aufgabe in Angeboten für Menschen, die Stille, Gebet und Gespräche suchen.

Apropos Kathedrale: Die Firma Teupe & Söhne war schon einmal in Rom tätig und rüstete 1996 die gesamte Fassade des Petersdomes ein. Die Front der Papstkirche sollte zum Heiligen Jahr 2000 verschönert werden. "Aber das Gerüst für das Ursulinenkloster war im Vergleich dazu die größere Herausforderung." Diesen erstaunlichen Satz sagt Andreas Schwanekamp, Projektleiter bei Teupe & Söhne, und reicht auch gleich eine Erklärung nach. "In Rom hatten wir ein einfaches Fassadengerüst aufgebaut, zwar in imposanter Größe und an interessanter Location, aber technisch im Grunde nichts Besonderes", meint Schwanekamp.

Auf dem Gerüst (Bistum Erfurt)

 

In Erfurt verhalte es sich ganz anders. "Hier haben wir es mit einer freistehenden Konstruktion zu tun, die im Schnitt einem auf den Kopf gestellten U gleicht und über das Gebäude gestellt ist", erläutert der Projektleiter. Das bedinge, anders als bei einem Fassadengerüst wie in Rom, statische Berechnungen, für die das ganze Konventgebäude gescannt wurde. So entstand für die Planer und Statiker ein dreidimensionales Bild, in dem jedes Gerüstteil berechnet und eingefügt werden musste.

Die Gauben machen Probleme (Bistum Erfurt)

Rückbau früherer Sanierungen

Und nicht nur das. "Um sicher zu stehen, braucht das Gerüst im Ursulinenkloster Ballast", sagt Schwanekamp. Er zollt der für die Logistik und den Kranbetrieb zuständigen Antignum GmbH größten Respekt. "Angesichts der beengten Platzverhältnisse am Kloster war es eine Meisterleistung, die großen und schweren Einzelteile und den Ballast anzufahren und mit dem Kran in den winzigen Innenhof zu bringen", lobt Schwanekamp. Dort sind dann die Bauteile zusammenmontiert und auf das Gerüst gehoben worden.

Der Kran werde bei der Sanierung noch eine große Rolle spielen, führt Christopherus Nöchel aus, der vom Bistum Erfurt für die Gesamtmaßnahme als Projektsteuerer beauftragt wurde. "Fast alle Materialien und Bauelemente, die hier zum Einsatz kommen, können allein schon wegen ihres Gewichts oder des engen Raumes nur von einem Kran bewegt werden", sagt Nöchel. Darum hätten die Gerüstbauer nicht einfach nur eine geschlossene Plane über das Gerüst gespannt, sondern eine Dachkonstruktion gebaut, die sich an vielen Stellen und auch großflächig öffnen lasse. "Auf diesem Weg gelangt selbst ein tonnenschwerer Träger, der an entscheidender Stelle einzubauen ist, an seinen Platz", sagt Nöchel. Doch dazu später.

Zunächst muss der Dachstuhl, der zwischen Klosterkirche und Bildungshaus eingespannt ist, komplett abgebaut und später neu errichtet werden. Grund für die Maßnahme sind bauliche Eingriffe innerhalb der letzten hundert Jahre, die damals vernünftig schienen, langfristig und ungewollt aber zur Instabilität des Dachstuhls beigetragen haben. So brachte etwa der Einbau von Fenstergauben mehr Licht ins Gebäude, führte aber mit dazu, dass die Holzkonstruktion, auf der das gesamte Gewicht der Dachziegel lastet, geschwächt wurde und irgendwann einstürzt, wenn nichts dagegen unternommen wird.

Doch auch schon beim Bau des Konventgebäudes im 17. Jahrhundert wurde ein entscheidender Fehler gemacht. Das Gebäude besteht aus Erd-, Ober und Dachgeschoss. Ein tragender Hauptbalken zwischen Erdgeschoss und Obergeschoss hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr nach unten verbogen und droht zu brechen oder von einer der ihn stützenden Wände abzurutschen. "Das Gewicht, das von oben auf dem Balken lastet, ist viel zu schwer für ihn. Obendrein haben die damaligen Bauleute eine der Aufliegerwände zu schwach gebaut, so dass wir auch sie ertüchtigen müssen", erläutert Dombaumeister Andreas Gold, der Leiter des Bischöflichen Bauamtes, das Problem. "Wir müssen also bei den Sanierungsmaßnahmen das gesamte Gebäude und nicht nur sein Dach berücksichtigen", sagt Gold.

Gerüst steht (Bistum Erfurt)

Verformte Flurwände und Fußböden

Wie sehr es im ganzen Gebäude durch den verbogenen tragenden Balken arbeitet, zeigen im Inneren verformte Flurwände und Fußböden sowie Decken, von denen bereits Stuck abplatzt. Doch Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Keine Lösung sei es, sagt Dombaumeister Gold, diesen Balken zurechtzubiegen oder auszutauschen. "Altes Holz in dieser Größenordnung – der Balken ist immerhin gut neun Meter lang – lässt sich nicht zurückbiegen. Außerdem ist der Tragbalken ein verbautes Teil eines historischen Gebäudes und unter Denkmalschutz. Den können wir nicht einfach ausbauen und ersetzen", sagt der Dombaumeister. Aber es gebe eine Lösung.

Auch die Decke wird saniert (Bistum Erfurt)

Wie die aussieht, erläutert der Erfurter Architekt Lutz Hauschild, der bei diesem Großprojekt die architektonische Verantwortung trägt. "Die entscheidenden Maßnahmen sind, den Balken zu entlasten und in seiner Verformung zu sichern, die Decken bzw. Fußböden zu ertüchtigen und das Auflager, auf das der Balken aufliegt, zu verstärken", sagt Hauschild. In der Fußbodenkonstruktion des Dachgeschosses werde dazu ein sogenannter Fischbauchträger eingebaut. Der wiegt 1,8 Tonnen, ist rund neun Meter lang, besteht aus Stahl und wölbt sich genauso nach unten wie der verformte Balken eine Etage tiefer. Das erklärt seinen Namen: Die Wölbung des Trägers ähnelt einem Fischbauch.

"Um die Wände zu unterstützen, auf denen Träger und Balken aufliegen, werden an ihrer Seite Auflagerstützen aus Nadelholz eingebaut, jeweils im Erdgeschoss und im Obergeschoss", fährt Architekt Hauschild fort. Diese Auflagerstützen erstrecken sich vom Fußboden bis zur Decke des jeweiligen Raumes. 

Im Inneren des Dachstuhles (Bistum Erfurt)

Nicht aus der Portokasse

Wenn man es so sagen will, waren das bisher "nur" Vorarbeiten, um den verbogenen Balken zu entlasten. Im nächsten Schritt werden der verformte Balken über dem Erdgeschoss mit dem Fischbauchträger am Boden des Dachgeschosses verbunden. Das geschieht durch Stahl-Zugstangen, die mittels Spannschlösser verkürzt werden können. "Der verformte Balken wird auf diese Weise entlastet und in seiner Lage gesichert", erklärt Lutz Hauschild. So kann sich der Balken nicht weiter verformen und Spannungen ins Konventgebäude bringen", sagt der Architekt.

Mit dem Einbau des Trägers kann die Sanierung des Dachfußbodens bzw. der Decke des Obergeschosses beginnen, wo ein großer Teil der Deckenbalken nicht mehr tragfähig ist und verstärkt werden muss. 
Was sich in wenigen Sätzen sagen lässt, braucht natürlich seine Zeit. Projektsteuerer Christopherus Nöchel sieht das Ende aller Maßnahmen im Frühjahr 2024. "Zum Katholikentag wollen wir spätestens fertig sein", bekräftigt er. Gerade sei das Dach abgedeckt worden, wobei die Ziegel auf extra eingerichteten Logistikflächen auf dem Gerüst lagern, dach-nah sozusagen, was Wege und Zeit einspart. Aus der Portokasse lässt sich eine solche Sanierung nicht bezahlen. Rund sechs bis sieben Millionen Euro wird das Bistum Erfurt dafür aufbringen müssen. "Aber die Maßnahmen sind alternativlos", sagt Dombaumeister Andreas Gold. Immerhin werde ein Klostergebäude gerettet, das unter Denkmalschutz steht und dessen Baugeschichte im Mittelalter begonnen hat. "Erbe verpflichtet", meint der Dombaumeister.
 

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