Gericht kritisiert Kündigung von Kölner Bistumsjustiziarin

"Erhebliche Bedenken"

Das Kölner Arbeitsgericht hat über die Klage der früheren Justiziarin des Erzbistums Köln gegen ihre fristlose Kündigung verhandelt. Dabei bekundete der Vorsitzende Richter Stephan Decker am Dienstagvormittag erhebliche Bedenken.

Symbolbild Justiz / © Martin Schutt (dpa)
Symbolbild Justiz / © Martin Schutt ( dpa )

Bedenken, ob die Mitnahme eines Bürostuhls zu Pandemiebeginn eine außerordentliche fristlose Kündigung des beamtenähnlichen Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne.

Zwar sei die Mitnahme von Arbeitsmitteln möglicherweise eine Pflichtverletzung. Zu berücksichtigen sei aber die konkrete Situation vor Ostern 2020, als mehr Menschen im Homeoffice arbeiten sollten, ohne dass die Voraussetzungen dafür bestanden. Eine Entscheidung wird für den Nachmittag erwartet.

Kündigung im Juli

Die Erzdiözese hatte die Leiterin der Rechtsabteilung im Juli fristlos entlassen und dies mit der Mitnahme des Bürostuhls begründet. Dagegen hatte die Justiziarin geklagt und Schmerzensgeld von mindestens 50.000 Euro gefordert. Dabei machte sie geltend, dass sie durch die Bearbeitung vieler Missbrauchsfälle unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leide.

Der Richter bekundete auch Zweifel an der Schmerzensgeldforderung. Die Klägerin hätte die von ihr vermissten Schulungen und Supervisionen als leitende Angestellte selbst initiieren können. Auch für ihren Einwand, bei den Befragungen für das Missbrauchsgutachten des Erzbistums Köln sei sie retraumatisiert worden, zeigte der Richter wenig Verständnis: "Was soll der Gutachter anders machen?"

Seit 2020 arbeitsunfähig

Die Kammer erörterte auch die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Zurruhesetzungsverfügung wegen Dienstunfähigkeit vorliegen. Die Justiziarin ist seit April 2020 als arbeitsunfähig gemeldet. Das vom Erzbistum Köln im Januar 2021 vorgelegte arbeitsmedizinische Gutachten gebe aber nicht her, dass die Rechtsexpertin dauerhaft erkrankt sei, so der Richter weiter.

Die Expertin leitete die Rechtsabteilung von Deutschlands mitgliederstärkster Diözese seit 2008. Im September konnten sich beide Seiten vor dem Arbeitsgericht nicht gütlich einigen.

Das Handeln der Justiziarin ist auch Thema des im März vorgestellten Gutachtens über Fehler von Verantwortlichen der Erzdiözese Köln beim Umgang mit Missbrauchsfällen. Die Untersuchung der Kölner Kanzlei Gercke Wollschläger hält neun Pflichtverletzungen der Juristin fest - alles Verstöße gegen die Meldepflicht an die Staatsanwaltschaft. Die betreffenden Fälle seien nach weltlichem Strafrecht aber bereits verjährt gewesen. Die Gutachter halten der Justiziarin zugute, dass sie bei der Bearbeitung der Missbrauchsverdachtsfälle großen Einsatz gezeigt und in regelmäßigem Kontakt mit der Staatsanwaltschaft gestanden habe.

Quelle:
KNA