Geplanter Migrationskurs wirft rechtliche Fragen auf

Ist die Menschenwürde gefährdet?

Die Pläne der künftigen Bundesregierung zur Migrationspolitik könnten laut Experten rechtswidrig sein. Eine Zurückweisung von Menschen an der Grenze verstoße - selbst in Absprache mit den Nachbarländern - gegen das Europarecht.

Bischof Georg Bätzing / © Nicolas Ottersbach (DR)
Bischof Georg Bätzing / © Nicolas Ottersbach ( DR )

Das erklärte die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Auch Migrationswissenschaftler haben Zweifel, ob sich der geplante Kurs umsetzen lässt. Die katholischen Bischöfe appellieren weiterhin für offene Grenzen.

CDU/CSU und SPD hatten am Sonntag ihre Sondierungsgespräche für eine künftige Regierungskoalition beendet. In der Migrationspolitik wollen die Parteien künftig einen schärferen Kurs verfolgen. Neben der Zurückweisung von Migranten an EU-Binnengrenzen sind auch eine Begrenzung als Leitlinie der Migrationspolitik sowie die Einstellung des Familiennachzugs und eine Abschiebeoffensive geplant. Auf Basis des Sondierungspapiers können nun die Koalitionsverhandlungen der Parteien beginnen.

Pro Asyl: Rechtsbrüche werden kaschiert

Laut Pro Asyl könnten Zurückweisungen an der Grenze durch den Kompromiss zunehmen. Auch könne sich die Praxis in naher Zukunft in weiteren europäischen Ländern durchsetzen. Zudem sei das Aussetzen des Familiennachzugs für die Betroffenen menschenrechtlich inakzeptabel, da in diesen Fällen ein Zusammenleben mit der Familie im Herkunfts- oder einem anderen Drittland meist unmöglich sei. "In der künftigen Koalition drohen Menschenwürde, Menschlichkeit und Menschenrechte unter die Räder zu kommen. Recht wird zur Seite geschoben, absehbare Rechtsbrüche werden teils mit Formelkompromissen kaschiert", so der Geschäftsführer der Organisation, Karl Kopp.

Der Migrationsexperte Daniel Thym meldete ebenfalls juristische Zweifel an, ob Zurückweisungen an der Landesgrenze zulässig sind.

"Das geht nur aufgrund einer EU-Notstandsklausel, die sehr vage formuliert ist", sagte der Professor an der Universität Konstanz im Interview der "Süddeutschen Zeitung". Gleichwohl fordert er klare Signale an Geflüchtete, dass die Willkommenskultur in Deutschland zu Ende sei.

Thym: Keine pauschalen Zurückweisungen

Der Wissenschaftler empfahl deshalb, nicht pauschal alle Asylbewerber zurückzuweisen. "Denkbar wäre etwa, dass Familien und Minderjährige aus humanitären Gründen weiter ins Land kommen, während junge Männer zwischen 18 und 40 Jahren zurückgewiesen werden.“ Außerdem sollte die künftige Regierung die Maßnahmen befristen. "Dauerhafte Zurückweisungen über viele Monate hinweg haben eine sehr geringe juristische Chance." Unumgänglich seien jedoch eine umfassende EU-Asylreform sowie ein besserer Schutz der Außengrenzen.

Auch die katholischen Bischöfe äußerten sich kritisch zu den Sondierungsergebnissen. "Grenzschließungen und Zurückweisungen sehen wir nach wie vor kritisch", sagte Bischof Georg Bätzing zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz im Kloster Steinfeld (Nordrhein-Westfalen). Die offenen Grenzen Europas hätten einen "unglaublichen Wert".

Bischöfe: Familiennachzug ermöglichen

Zudem plädierte Bätzing dafür, Familiennachzug auch weiterhin zu ermöglichen. Dies verbessere die Integration und beuge auch möglichen Anschlägen verirrter Einzeltäter vor: "Wer in einem Familienverbund eingebunden ist, hat sozusagen den Rückfallboden", betonte der Limburger Bischof.

Deutsche Bischofskonferenz

Die Deutsche Bischofskonferenz ist der Zusammenschluss der katholischen Bischöfe in Deutschland. Sie leiten als Ortsbischöfe eines der 27 Bistümer oder unterstützen als Weihbischöfe. Insgesamt gehören ihr derzeit (September 24) 61 Mitglieder an.

Ebenfalls zur Konferenz gehören - auch wenn sie nicht Bischöfe sind - Diözesanadministratoren, die ein Bistum nach Rücktritt oder Tod eines Ortsbischofs übergangsweise verwalten.

Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht (KNA)
Logo der Deutschen Bischofskonferenz auf einem Schild neben dem Eingang zum Sekretariat der DBK / © Julia Steinbrecht ( KNA )
Quelle:
KNA