Generalvikar Meiering zu Kunst und Religion

"Wie Geschwister"

Wie viel Religion steckt in der Kunst - und wie viel Kunst in der Religion? Der Kölner Generalvikr und Kunsthistoriker Dominik Meiering sieht beide nah beieinander und in stetem Austausch miteinander.

Das Richter-Fenster im Kölner Dom / © Oliver Berg (dpa)
Das Richter-Fenster im Kölner Dom / © Oliver Berg ( dpa )

"Ich bin der festen Überzeugung: Jede Kunst, wenn sie wahrhaft Kunst ist, ist religiös. Das geht gar nicht anders, weil der Mensch sich immer in Beziehung setzt zum Anderen und letztlich zu Gott", sagt Dominik Meiering. "Kunst und Religion sind Geschwister, wir haben die gleiche Frage, nämlich die nach dem Menschen: Woher kommt der Mensch, warum ist der Mensch, wohin geht der Mensch? Die Künstler gehen das auf kreative Art und Weise an, die Kirche tut das vor dem Hintergrund der Traditionen und der Heiligen Schrift."

Diese Fragen, diese religiösen Ansätze sieht Meiering nicht nur in der Kunst vergangener Jahrhunderte, die sich ganz konkret mit Religion beschäftigt hat und Ereignisse aus der Bibel, Heilige und Päpste direkt abgebildet hat, sondern auch in der Kunst von heute. Als Beispiel nennt er die "Sieben Scheiben" von Gerhard Richter, die im Kölner Museum Ludwig zu finden sind. Das Werk besteht auch sieben aufeinander montierten Glasscheiben, in denen sich der Betrachter selbst sieht - verschwommen. "Ich sehe mich selbst und mein erster Gedanke ist, was der heilige Paulus geschrieben hat: 'Heute erkennen wir noch nicht klar, aber wir werden einen Einblick haben hinter den Vorhang. Heute erleben wir alles nur wie in Spiegeln, aber dann werden wir erkennen, wie Gott wirklich ist'. Das betrifft auch uns selbst: Da sind diese Unschärfen und Unklarheiten. Man merkt, ich bin nicht nur der Eine, sondern ich habe viele Dimensionen."

Kunst hat ihren festen Platz

Auch direkt in der Kirche hat Kunst ihren festen Platz - zum Beispiel in der Gestaltung des Kirchenraums: "Ich glaube, im kirchlichen Kontext ist es wesentlich, dass die Kunst einen eindeutigen Verkündigungscharakter hat und dass sie auch Christus ins Gespräch bringt", so Meiering. Es gebe allerdings auch Ausnahmen von der Regel. Er nennt als Beispiel das Richterfenster im Kölner Dom. "Das empfinde ich keinesfalls als eine Profanisierung des gotischen Kirchenraumes oder der Bilderwelt des Kölner Domes - im Gegenteil: Die ausdrückliche Formulierung der Christus-Frömmigkeit und -Bezogenheit im Kölner Dom ist so kraftvoll, dass das Richter-Fenster sich dort eingliedern muss und dem Ganzen dienen muss."

Doch nicht nur der Kirchenraum an sich, auch die kultische Handlung, der Gottesdienst, ist für Dominik Meiering bis zu einem gewissen Punkt Kunst: Die Liturgie ist eine Feierweise, die sich ausdrückt in Zeichen und Gebärden, in Schmuck und kostbaren Gefäßen und Gewändern, in der Musik und in der Bewegung. All diese Dinge verbinden sich zu einem kreativen, zu einem künstlerischen Miteinander. Das darf aber nichts Künstliches haben, es muss im Gegenteil deutlich werden, hier ereignet sich etwas, das den Menschen mit all dem, was er ist, bewegt."

Gottesdienst in einem besonderen Raum

Dabei interagieren auch der Gottesdienstraum und der Gottesdienst an sich, sagt Meiering. Auch hier wirke das künstlerische Umfeld: "Ein Gottesdienst in einer romanischen Basilika oder in einer barocken Hofkirche, das sind natürlich zwei völlig unterschiedliche Dinge, aber eines verbindet die beiden Gottesdienst doch: Es geht darum, einen Raum zu haben, in dem eine Erfahrung gemacht wird, also einen Erfahrungsraum - und diese Erfahrung ist die gleiche. Es geht darum, dass der Mensch über sich hinaus transzendiert wird."

In der Form der Kirchen gebe es auch eine Verbindung zu dieser Vergangenheit: "Wenn man die Kirchen der unterschiedlichsten Epochen betritt, dann versetzt man sich innerlich immer in die Zeit der Erbauung. Ich versuche innerlich zu erspüren: Was waren das für Menschen damals, die hier durchgegangen sind, was für ein Klang hat sich hier ereignet? Wir stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit diesen Menschen. Wir haben ja nicht nur ihre Gebäude übernommen, sondern auch ihren Glauben und ihre Frömmigkeit. Damit müssen wir sehr verantwortungsvoll umgehen."

Insgesamt sieht Meiering also Kunst und Religion nicht nur nah beieinander, sondern auch mit der gleichen Mission auf dem Weg: "Der Künstler ist immer irgendwie unruhig, ihn bewegt etwas. Das ist eine Dimension, die wir in der Kirche auch kennen: 'Unruhig ist unser Herz, bis es zur Ruhe kommt in dir, oh Herr', betet der heilige Augustinus. Es gibt diese Wirklichkeit des Menschseins, die nicht bei sich bleibt, sondern ausgreift nach dem Höheren." Deshalb brauche nicht nur die Kunst den Glauben, sondern auch der Glaube die Künstler: "Wir sind abhängig von den Menschen, die in Sprache zu fassen wissen, was nicht ausgesprochen werden kann."


 

Domkapitular Dr. Dominik Meiering (Erzbistum Köln)
Quelle:
DR