DOMRADIO.DE: Sie wurden von mehreren Medien als "bester Freund" des Papstes bezeichnet. Stimmt das?
Pater Alejandro Moral Antón OSA (Generalprior des Augustinerordens): Das weiß ich nicht genau. Papst Leo XIV. hat mehrere gute Freunde. Ich bin einer davon. Wir sind in der Tat sehr gut befreundet und kennen uns seit 1981. Damals waren wir beide zum Studium für unseren Orden in Rom und haben uns hier kennengelernt.
DOMRADIO.DE: Was macht Leo XIV. bzw. Robert Prevost als Mensch aus?
Moral: Er ist ein ruhiger und heiterer Mensch. Roberto kann sehr gut zuhören. Er muss nicht immer reden und im Mittelpunkt stehen. Wenn aber Entscheidungen anstehen, zögert er nicht, sie zu treffen. Als Augustiner ist er ein guter Mitbruder. Das Charisma unseres Ordenslebens ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen.
DOMRADIO.DE: Was macht das Leben im Augustinerorden aus?
Moral: Für uns Augustiner sind die mitbrüderliche Gemeinschaft, die Einheit untereinander und als Kirche sehr wichtig. Wir suchen gemeinsam nach der Wahrheit. Das verkörpert Roberto heute als Papst Leo XIV.
DOMRADIO.DE: Nach der Wahl zum Papst haben Sie Ihren ehemaligen Mitbruder bereits mehrere Male getroffen. Hat er sich verändert?
Moral: Er ist immer noch der gleiche, aber wir sehen uns jetzt viel weniger. Er hat einfach viel zu tun. Ich glaube, er ist glücklich in seinem neuen Amt als Papst. Jedenfalls wirkt er so. Natürlich ist es eine große Belastung, die gesamte Kirche zu leiten. Aber er möchte diese Aufgabe, die ihm von den Kardinälen übertragen wurde, so gut es geht erfüllen.
DOMRADIO.DE: Machen Sie sich um Ihren Freund Sorgen?
Moral: Ein wenig schon. Ich denke vor allem daran, dass man als Papst Gefahr läuft, sich bisweilen sehr einsam zu fühlen. Das geht mit diesem Amt einher. Diese Erfahrung machen wir im Augustinerorden auch mit den Brüdern, die Bischöfe werden und dann nicht mehr in unseren Klöstern in Gemeinschaft wohnen, sondern alleine in ihren Diözesen. Das bedeutet, dass sie öfters alleine essen müssen und so weiter. Kurzum: Das Leben ist ganz anders. Das kann zu einem Problem werden. Wie sollte ich mir also keine Sorgen um meinen Freund machen?!
DOMRADIO.DE: Haben Sie sich mit Papst Leo XIV. darüber unterhalten, wie es in Zukunft möglich ist, dass Sie als Mitbrüder wenigstens ein wenig gemeinsame Zeit miteinander verbringen?
Moral: Es werden sich schon Möglichkeiten finden, um die Gemeinschaft untereinander zu pflegen. Natürlich gehört der Papst der ganzen Kirche und ist für sie zuständig. Wir Augustiner wollen ihm bei diesem Dienst helfen, etwa dadurch, dass er sich nicht einsam fühlt. Aber das ist eben nicht einfach.
DOMRADIO.DE: Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von der Wahl Robert Prevosts zum Papst erfahren haben?
Moral: Ich habe mich sehr glücklich gefühlt. Damit verbunden kam in mir der Wunsch auf, ihm nach Kräften dabei zu helfen, der Kirche zu dienen. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an den Moment denke, als ich Roberto das erste Mal als Papst gesehen habe. Das habe ich ihm erst vor kurzem noch gesagt.
DOMRADIO.DE: Haben Sie Ihren Mitbruder für einen möglichen Kandidaten für das Papstamt gehalten?
Moral: Ehrlicherweise, ja. Denn Roberto wurde in einigen Zeitungen als einer von mehreren möglichen Kandidaten gehandelt. Wenn man auf all das schaut, was er mitbringt, musste man davon ausgehen, dass er Chancen hatte, Papst zu werden. Ich habe mit ihm auch darüber gesprochen.
DOMRADIO.DE: Und wie war seine Reaktion?
Moral: Er wusste darüber Bescheid. Dass er eventuell der nächste Papst werden könnte, wurde ihm vor allem in den letzten Tagen vor Beginn des Konklaves bewusst. Das war Anfang Mai als sich die in Rom anwesenden Kardinäle zu ihren täglichen Versammlungen getroffen haben, den Konsistorien. Dort haben sie nicht nur über die aktuellen Herausforderungen der Kirche gesprochen, sondern es wurden im vertrauten Kreis auch Namen genannt, wer der nächste Papst werden könnte. Da fiel auch der Name Robert Prevost.
DOMRADIO.DE: Viele Menschen weltweit fragen sich, was Leo XIV. als Person ausmacht. Können Sie eine Geschichte oder Anekdote erzählen, die ihn uns näherbringt?
Moral: Wir haben gemeinsam schon viel erlebt. Es gibt sicher die eine oder andere Geschichte, aber leider fällt mir jetzt auf Anhieb keine ein. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits über Roberto gesagt habe: Er ist ein sehr angenehmer, im besten Sinne einfacher und kommunikativer Mensch. Wir haben schon so manches Fußballspiel gesehen. Das macht mit ihm viel Spaß. Wenn wir die Heilige Messe gefeiert haben, hat er nicht selten die Orgel gespielt. Etwas, was er sehr gut kann. Er ist auch ein guter Sänger. Wir sind zudem oft zusammen spazieren gegangen. Er ist einfach ein ganz normaler Mensch.
DOMRADIO.DE: Ist Papst Leo XIV. eher ein intellektueller oder ein pragmatischer Mensch?
Moral: Roberto ist ein sehr intelligenter Mensch. Ich spreche aus Erfahrung. Ich habe zwölf Jahre mit ihm in der Kurie unseres Ordens in Rom zusammengearbeitet. Aber er ist auch ein sehr pragmatischer Mensch. Als er Missionar in Peru war, hat er immer gemeinsam mit den Gläubigen vor Ort nach Lösungen für die Probleme gesucht, die angefallen sind: Wenn ein Computer kaputt gegangen ist, hat er versucht, ihn zu reparieren. Das gleiche bei Autos oder sogar bei Orgeln, die nicht funktionierten.
DOMRADIO.DE: Hat sich Papst Franziskus Ihren Mitbruder Kardinal Robert Prevost als seinen Nachfolger gewünscht?
Moral: Franziskus hat Roberto sehr geschätzt. Er mochte ihn wirklich gerne. Das hat er mir mehrmals gesagt. Er hat ihn nicht umsonst zum Bischof, zum Leiter des Bischofsdikasteriums und zum Kardinal berufen. Aber Leo XIV. und Franziskus sind unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das bedeutet nicht, dass es keine Themen gibt, die beiden sehr am Herzen liegen. Ich denke da etwa an den Umweltschutz und soziale Themen. Da wird Leo sicherlich den Weg seines Vorgängers fortsetzen.
Aber er hat eigene Schwerpunkte, die er stark machen wird, um das Evangelium in der Gegenwart zu verkünden. Beide haben zudem einen unterschiedlichen Charakter: Leo ist ruhig und besonnen. Franziskus war da etwas temperamentvoller. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe Franziskus sehr geschätzt und ich glaube, dass er ein Heiliger war. Deshalb schmerzt es mich, dass nach seinem Tod schlecht über ihn geredet wird.
DOMRADIO.DE: Haben Sie ein Beispiel für die Themen, von denen Sie glauben, dass sie Leo XIV. eher am Herzen liegen?
Moral: Er wird sich stärker der Einheit in der Kirche und der Einheit aller Menschen in der Welt widmen. Das ist auch ein wichtiger Begriff in der Spiritualität der Augustiner. Unitas, caritas, veritas – Einheit, Nächstenliebe, Wahrheit: das sind die wichtigen Werte unseres Ordens, die wir in unseren Schulen vermitteln und die auch für den jetzigen Papst fundamental sind.
Letzten Endes sind es Tugenden, die für die gesamte Kirche wichtig sind und die auf Jesus Christus zurückgehen. Schauen wir in die Welt: Es gibt so viele Kriege in zahlreichen Ländern, so viele Menschen weltweit leiden. Wir benötigen mehr Einheit untereinander.
DOMRADIO.DE: Es gibt Gruppen in der Kirche, die hoffen, dass Papst Leo mit Blick auf die sogenannte Alte Messe einen anderen Kurs fahren wird als sein Vorgänger, der bei diesem Thema sehr restriktiv war. Davon erhoffen Sie sich eine größere Einheit in der Kirche. Wie schätzten Sie den Papst diesbezüglich ein?
Moral: Ich halte es für ausgeschlossen, dass dieses Thema unter Leo XIV. wieder auf den Tisch kommt. Das wäre auch nicht sinnvoll, denn die Kirche hat sich im Zweiten Vatikanischen Konzil reformiert – auch ihre Liturgie. Wir müssen als Mitglieder der Kirche alle unseren Teil dazu beitragen, dass wir in Gemeinschaft bleiben. Das gilt auch diese Gruppen, die die Alte Messe fördern.
DOMRADIO.DE: Hat die Wahl Ihres Mitbruders Robert Prevost zum Papst Auswirkungen auf den Augustinerorden gehabt?
Moral: Der Papst ist das Oberhaupt der gesamten Kirche. Leo XIV. gehört nicht dem Augustinerorden oder so etwas. Aber natürlich hilft uns die mediale Aufmerksamkeit für unsere Gemeinschaft, unser Charisma in der Welt bekannter zu machen. Wir merken auch, dass sich mehr junge Männer als zuvor bei uns melden, die sich für ein Leben im Orden interessieren. Wir sind da etwas vorsichtig, aber wir nehmen ihre Suche nach der persönlichen Berufung ernst und begleiten sie gerne auf ihrem Lebensweg bei uns im Orden.
DOMRADIO.DE: Eine Frage zum Schluss: Wissen Sie schon, wann Sie Papst Leo zum nächsten Mal sehen werden?
Moral: Das kann ich jetzt noch nicht sagen, denn als Generalprior bin ich oft auf Reisen. Auch der Papst hat viel um die Ohren. (lacht) Aber es gibt immer wieder Möglichkeiten, die ein Treffen ermöglichen. Wer weiß, vielleicht gehe ich in den kommenden Tagen zum Mittagessen bei uns in der Kurie und dann sitzt der Papst einfach am Tisch.
Das Interview führte Roland Müller.