Generaloberin fordert Konsequenzen für Weltsynode

"Die Rede vom deutschen Sonderweg ist vom Tisch"

Auf der Europa-Etappe der Weltsynode ist eine ganze Reihe von deutschen Stimmen vertreten. Eine ist die Ordensschwester Katharina Ganz. Sie gibt einen Einblick in den Alltag und hat kritische Worte an die Organisatoren.

Weltsynode in Prag / © Björn Steinz (KNA)
Weltsynode in Prag / © Björn Steinz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind eine der Teilnehmerinnen, die digital zugeschaltet sind. Sitzen Sie da den ganzen Tag am Rechner?

Sr. Dr. Katharina Ganz OSF, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen / © Katharina Gebauer (privat)
Sr. Dr. Katharina Ganz OSF, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen / © Katharina Gebauer ( privat )

Sr. Dr. M. Katharina Ganz OSF (Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen): Ja, ich sitze tatsächlich den ganzen Tag vor dem Rechner, Montag und Dienstag schon ab 7:30 Uhr, um an der Eucharistiefeier teilzunehmen bzw. vor allem auch die Predigten zu hören. Und das geht dann bis abends um 19 Uhr. Natürlich mit Pausen, aber wenn überzogen wird, werden auch die Pausen kürzer. Dazwischen sind wir in sogenannten Breakout Rooms, die zugeschalteten Delegationen treffen sich in Kleingruppen, um sich dann über das Gehörte auszutauschen.

DOMRADIO.DE: Und wie laufen dann die Beratungen? Können Sie da richtig teilnehmen, sich einbringen?

Ganz: Es war für uns als deutsche Delegation ein bisschen ermüdend. Wir haben 39 Berichte aus den verschiedenen Ortskirchen gehört. Also es ging wirklich darum, nur zuzuhören. Sechs Minuten pro Ortskirche. Dazwischen, nach jedem vierten Statement, ein Schweigen oder ein Gebet zum Innehalten. Aber es wurde nicht diskutiert. Es gab keine Möglichkeit, in die Beratungen tiefer einzusteigen, theologisch nach Lösungen zu suchen. Und wir Deutschen möchten doch auch gerne nach vorne denken.

Also erst einmal ging es nur um Hören. Was habe ich gehört? Welche Resonanz möchte ich geben? Wie verdichten wir das Ganze? Und jetzt geht es darum, nach vorne zu schauen: Was heißt das jetzt für eine synodale Kirche?

DOMRADIO.DE: Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, hat gesagt, es sei ein Anliegen der ganzen Kirche, Frauen mehr Teilhabe und Mitwirkung zu ermöglichen. Das hätte auch die Befragung in anderen Ländern ergeben. Neue Formen des priesterlichen Lebens und eine Offenheit der Kirche für queere Menschen gehören ebenfalls zu den Ergebnissen. Wie wird denn bei der Weltsynode bislang auf dieses deutsche Reformprojekt des Synodalen Wegs geguckt?

Ganz: Beate Gilles hat ja schon gesagt, dass wir unter Beobachtung stehen. Es wird sehr gut geschaut, wie wir uns als deutsche Delegation hier einbringen. In den Online-Gruppen war es zum Teil gar nicht richtig möglich, weil wir keinen Link bekommen haben, um uns einzubringen. Wir haben uns dann gegenseitig Links zugeschickt. Also wir sind nicht gleichmäßig verteilt auf die Kleingruppen.

Aber die Themen, die Sie angesprochen haben und die Georg Bätzing noch mal verdichtet hat, sind eben keine rein deutschen Themen. Das möchte ich unterstreichen. Die europäische Phase der Weltsynode zeigt: Frauen und Geschlechtergerechtigkeit, Inklusion für queere Menschen. Das ist ein großes, zentrales Thema. Es wird zum Teil unterschiedlich beantwortet. Teilhabe von Frauen an Diensten und Ämtern wird in Osteuropa zum Teil anders gesehen als vielleicht in den westeuropäischen Ortskirchen. Aber aus allen Ländern werden diese Themen adressiert und das ist schon mal gut. Damit ist die Rede vom deutschen Sonderweg vom Tisch.

Wir sehen auf jeden Fall eine unglaublich große Vielfalt von Themen, wie man Kirche konzipiert. Und das führt uns jetzt auch dazu zu sagen: Wir brauchen eine Dezentralisierung, lokale Antworten in der einen katholischen Kirche. Es kann nicht sein, dass jedes Land warten muss, bis ein anderes mitzieht. Das wollen wir jetzt nach vorne bringen und auch, dass menschenfeindliche Lehren geändert werden müssen und dass Kirchenrecht da geändert werden muss, wo es letztlich der Liebe Gottes für alle Menschen widerspricht.

DOMRADIO.DE: Sie haben schon gesagt, Sie mussten jetzt in der ersten Zeit sehr, sehr viel zuhören. Kann denn alles angesprochen werden? Haben Sie den Eindruck, da kommt aber auch alles auf den Tisch? Oder vermissen Sie etwas bei dieser Debattenkultur?

Ganz: Nein, es ist wirklich alles angesprochen worden, alles auf den Tisch gekommen. Ich war von einzelnen Ortskirchen überrascht. Die Berichte wurden ja aufgesplittet. Zum Beispiel hat drei Minuten ein Bischof oder der Vorsitzende der Bischofskonferenz gesprochen - und danach eine Frau oder ein männlicher Laie noch mal einen anderen Part berichtet aus dem Land. Und diese beiden Teile ergänzten sich oder widersprachen sich auch manchmal. Dass diese unterschiedlichen Einschätzungen stehenbleiben dürfen, dass sie überhaupt zu Gehör kommen, das ist aus meiner Sicht etwas Neues.

Sr. Katharina Ganz

"Wir brauchen einen Aktionsplan, denn es ist ganz klar, dass sonst in vielen Ländern auch die Menschen sich verabschieden."

DOMRADIO.DE: Also das eine ist Hören. Aber was glauben Sie denn, wie viel Veränderung ist da möglich? Wie schätzen Sie diesen weltweiten Prozess ein? Kirche ist ja nicht demokratisch organisiert.

Ganz: Es kommt jetzt darauf an, wie wir, was alles Eingang findet in das Schlussdokument. Ob es eine harmonisierende Nebeneinanderreihung der Aussagen gibt oder ob es wirklich möglich ist, Forderungen zu stellen, die dann im Herbst in Rom bei den Beratungen Eingang finden. Das ist überdeutlich geworden. Wir brauchen einen Aktionsplan. Es geht nicht nur darum zu hören. Das haben wir jetzt gemacht, auf uns selbst, auf andere, auf den Heiligen Geist. Wir haben auch unterschieden. Jetzt geht es aber ums Handeln. Wir brauchen einen Aktionsplan, denn es ist ganz klar, dass sich sonst in vielen Ländern die Menschen verabschieden.

DOMRADIO.DE: Was würden Sie sagen, wie gestaltet sich diese Europa-Etappe im Moment jetzt für Sie?

Ganz: Für uns ist noch nicht ganz klar, was das eigentlich bedeutet, dass es zwei Abschlussdokumente geben soll. Donnerstag soll eines von der gesamten Versammlung beschlossen werden, die sich jetzt getroffen hat. Anschließend tagen ja ausschließlich die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen noch drei Tage weiter bis Sonntag. Dann soll es noch mal ein Abschlussdokument geben. Das halten wir für unglücklich, weil ja dann sofort verglichen werden wird: Was ist in dem einen drin, das im anderen vielleicht wieder rausgeflogen ist? Ich habe keine Ahnung, ob man da noch mal darüber sprechen kann, dass es wirklich bei einem Papier bleibt. Wir sind mit der Organisation nicht ganz zufrieden als deutsche Delegation und das wird auch von den vor Ort befindlichen Personen deutlich angemerkt.

Das Interview führte Heike Sicconi.

Weltsynode 2021-2024

Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus in der katholischen Kirche etwas Neues geschaffen. Erstmals werden bei einer Synode Nicht-Bischöfe und Nicht-Priester im großen Umfang ein Stimmrecht haben, darunter auch Frauen.

Inhaltlich soll es vor allem um neue Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche gehen. Obwohl erstmals auch nicht geweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht haben, handelt es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode.

Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Eröffnung der Weltsynode im Oktober 2021 / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
DR