Gemischtes Echo auf Diesel-Urteil bei Hilfswerken

Ausnahmen in Aussicht

Es ist ein wegweisendes Urteil: Städte können laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich Dieselfahrverbote verhängen. Bei katholischen Hilfswerken und Pflegeanbietern stößt die Entscheidung auf ein gemischtes Echo.

Autor/in:
Holger Spierig
Bundesverwaltungsgericht lässt Dieselfahrverbote zu / © Matthias Balk (dpa)
Bundesverwaltungsgericht lässt Dieselfahrverbote zu / © Matthias Balk ( dpa )

"Unsere Malteser Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht im Rettungsdienst und im Katastrophenschutz sind von den Verboten nicht betroffen. Für sie gilt schon heute keine Plakettenpflicht, genau wie für Polizei- und Feuerwehrautos", sagte ein Sprecher des Malteser Hilfsdienstes in Köln am Dienstag auf Anfrage.

"Aber viele unserer Fahrzeuge im Krankentransportdienst und die, die Senioren oder Menschen mit Behinderungen jeden Tag ihr Essen bringen oder die Schüler mit Behinderung befördern, wären von möglichen Fahrverboten betroffen", so der Sprecher weiter. Es bleibe jetzt abzuwarten, was genau im Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehe und nach welchen Kriterien die Kommunen Ausnahmegenehmigungen erteilten.

Die Malteser haben den Angaben zufolge bundesweit rund 600 Blaulichtfahrzeuge im Einsatz. Dazu kommen etwa die gleiche Menge, die jeden Tag Essen bringen und rund 1.800, die im Fahrdienst für Menschen mit Handicap eingesetzt werden. "Ein erheblicher Teil der zusammen rund 3.000 Autos sind Dieselfahrzeuge, die von Fahrverboten betroffen wären, wenn es keine Ausnahmen gäbe", betonte der Sprecher.

Auch beim Deutschen Roten Kreuz beobachtet man aufmerksam die weitere Entwicklung. So unterhalte das Rote Kreuz in Rheinland-Pfalz bei den Rettungswagen eine reine Dieselflotte, sagte eine Sprecherin. Derzeit seien 155 Fahrzeuge unterwegs. Für den Ausbau als Rettungswagen stünden ohnehin nur Diesel-Fahrgestelle zu Verfügung.

Die Caritas verwies auf ein vom Regionalverband Aachen initiiertes bundesweites Pilotprojekt für Elektromobilität. Ab diesem Frühjahr sollen in 50 Orts- und Regionalverbänden sowie eigenständigen Sozialstationen rund 3.000 Elektro-"Pflege-Flitzer" der Aachener Firma e.Go Mobile zum Einsatz kommen. Zahlen, wie viele Dieselfahrzeuge etwa im Pflegebereich von der Caritas in ganz Deutschland genutzt werden, sind nicht verfügbar.

Katholische Kirche für das Thema sensibilisiert

In der katholischen Kirche und den (Erz)-Bistümern ist das Thema der Reduzierung von CO2-Emissionen durch Dieselfahrzeuge angekommen. Bereits im Jahr 2014 wurde von der Deutschen Umwelthilfe eine Untersuchung durchgeführt, wie umweltfreundlich die Kirchen mit ihren Fuhrparks sind. Damals wurde hauptsächlich untersucht, welche Fahrzeuge die Kirchenleitungen nutzen.

Dorothee Saar, die Leiterin für Verkehr und Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe attestiert den Diözesen dabei durchaus eine postive Reaktion. "Wir haben im Laufe der Zeit Verbesserungen gesehen, wobei sicherlich immer noch mehr möglich ist", sagte sie gegenüber DOMRADIO.DE. Die Aufmerksamkeit für die Wahl eines CO2-ausstoßarmen Fuhrparks sei in den Bistümern aber seitdem stark gewachsen.

Theologe sieht keine langfristige Lösung

Der Umweltexperte und Theologe Alfred Buß hält das Urteil dagegen für eine Notbremse, aber keine langfristige Lösung. Das sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW am Dienstag in Unna dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Bei der Abwägung zwischen Leben und Gesundheit der Menschen in den Innenstädten oder Eigentum der betroffen Dieselfahrer, habe das Bundesverwaltungsgericht zu Recht das Leben vor das Recht auf Eigentum gestellt. "Für die Politik ist das Urteil ein Ohnmachtszeugnis, weil sie aus Rücksicht auf die Autoindustrie nicht genug Druck gemacht hat."

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hält nach einer Entscheidung vom Dienstag Diesel-Fahrverbote in Städten für grundsätzlich zulässig. In dem Verfahren ging es um die Städte Düsseldorf und Stuttgart.

Autoindustrie in der Pflicht

Für bessere Abgaswerte sieht Buß die Autoindustrie in der Pflicht: Sie müsse als Verursacher für saubere Luft in den Städten sorgen. Dafür habe die Regierung die Weichen zu stellen. Diese habe sich bislang auch geweigert, die blaue Plakette einzuführen, die die beste Voraussetzung dafür wäre, ein Dieselfahrverbot überall durchzusetzen, sagte Buß, der noch zu seiner Zeit als Präses der westfälischen Kirche zu den Spitzenvertretern der bundesweiten Klima-Allianz gehörte.

Ein Fahrverbot treffe die Dieselfahrer, die das Ganze aber nicht verursacht hätten, hob Buß hervor. Sie hätten, wie er selbst auch, im guten Glauben einen Diesel gefahren, weil einem gesagt worden sei, das sei die sauberste Lösung. "Viele werden jetzt vor dem Problem stehen, in die Innenstadt oder an den Arbeitsplatz zu kommen", sagte der Theologe.

Deutschland hinkt hinterher

Die Diskussion um Fahrverbote verengt laut Buß den Blick aufs Auto. Es gehe aber nicht nur um Autopolitik, es gehe um Mobilitätspolitik, unterstrich er. "Wir brauchen ein multimodales Verkehrskonzept, bei dem unterschiedliche Verkehrssysteme so aufeinander bezogen sind, dass man sie künftig über eine App nutzen kann." Buß verwies auf die Stadt Zürich, die intelligente Verkehrskombinationen zwischen Bahnen, Bussen, Carsharing, Elektro-Auto oder Fahrrad-Flotte anbiete. "In Deutschland stehen wir trotz der vor sieben Jahren ausgerufenen Energiewende ganz in den Anfängen."

Ein breiter Umstieg vom Auto auf öffentliche Verkehrsmittel könne nur gelingen, wenn es für die Menschen auch einleuchtend sei. Nötig seien beispielsweise intelligente Taktungen und Anschlüsse. Beim Kirchentag 1991 seien die S-Bahnen im Ruhrgebiet alle Viertelstunde gefahren. "Die Bevölkerung sagte, wenn das immer so wäre, würden wir nur noch damit fahren. Beim Kirchentag damals ging das."


Rettungswagen / © Nicolas Armer (dpa)
Rettungswagen / © Nicolas Armer ( dpa )

Alfred Buß / © Friedrich Stark (epd)
Alfred Buß / © Friedrich Stark ( epd )
Quelle:
epd , KNA