Gemischte kirchliche Reaktionen auf Afghanistan-Konferenz

Zwischen Hoffen und Bangen

Die Reaktionen der Kirchen auf die Ergebnisse der Afghanistan-Konferenz von London sind gemischt. Der katholische Militärbischof Walter Mixa äußerte sich grundsätzlich zufrieden mit den Vereinbarungen der internationalen Staatengemeinschaft. Bischöfin Käßmanns Fazit fällt durchwachsen aus. Kritik kommt von Seiten Pax Christis. Ein Überblick der Kommentare.

 (DR)

Mixa sagte der in Ludwigshafen erscheinenden «Rheinpfalz am Sonntag» laut Vorabbericht: «Diplomatische Initiativen sind überfällig, weil nach kirchlicher Überzeugung militärische Mittel nie allein geeignet sind, Konflikte zu lösen.» Krieg sei aus der Sicht der Kirche immer ein Übel und eine Niederlage der Menschheit.

Nach seiner Einschätzung seien die Weichen für eine schrittweise Rückgabe der sicherheitspolitischen Verantwortung an die afghanische Regierung gestellt worden. «Damit ist auch eine Rückzugsperspektive für unsere Truppe eröffnet worden», sagte der Augsburger Bischof. Wann die Bundeswehr konkret ihren Einsatz am Hindukusch beenden könne, sei «eine politische, militärische und strategische Entscheidung, bei der auch die Sicherheit unserer Soldaten zu beachten ist».

Zugleich erinnerte der Bischof daran, dass es das Ziel der internationalen Präsenz in Afghanistan gewesen sei, «den Frieden militärisch zu sichern, und nicht gegen irgendjemanden Krieg zu führen». Diplomatischen und politischen Mitteln sei grundsätzlich Vorrang einzuräumen. Mit Blick auf den Parteienstreit über die Afghanistan-Strategie betonte Mixa, dass die Soldaten nie den Eindruck gewinnen dürften, dass sie von der deutschen Öffentlichkeit im Stich gelassen werden. Sie erfüllten ein Mandat des demokratisch gewählten Parlaments im Rahmen einer UN-Mission.

Kritik von Pax Christi
Die deutsche Kommission Justitia et Pax hat die Ergebnisse der Konferenz begrüßt. Dagegen kritisierten die katholische Friedensbewegung Pax Christi und die internationale Ärzte-Organisation IPPNW die Vereinbarungen der internationalen Konferenzteilnehmer, darunter Deutschland. Träger von Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) sind die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK).

Die neue Strategie stelle den Schutz der Bevölkerung, die Stabilisierung des afghanischen Staates sowie den Aufbau wirtschaftlicher und ziviler Strukturen in den Vordergrund, erklärte Bischof Stephan Ackermann am Freitag in Bonn. Die Betonung des zivilen Aufbaus und die verstärkte Ausbildung der afghanischen Polizei seien überfällig gewesen, so der Vorsitzende der Kommission Justitia et Pax weiter. Nun solle die Verantwortung zunehmend an den afghanischen Staat übergehen.

Der Trierer Bischof rief dazu auf, stärker als bisher die «geostrategischen Dimensionen» des Afghanistan-Engagements in den Blick zu nehmen. Ohne eine verlässliche Stabilisierung Pakistans werde auch in Afghanistan kein Frieden einkehren. Dazu sei eine Einbeziehung von Indien, China und Russland dringend geboten.

Pax Christi und IPPNW erklärten dagegen vor Journalisten in Berlin, der sogenannte Strategiewechsel sei eine Täuschung der Öffentlichkeit. Um Frieden zu schaffen, erfordere das Vorgehen in Afghanistan einen «radikalen Politikwechsel». Dazu müsse zivile Konfliktbearbeitung die «gescheiterte militärgestützte Kriegspolitik ablösen», forderte die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen.

Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Pax Christi, Christine Hoffmann, sagte, mit der massiven Verstärkung der militärischen Einsatzkräfte setze die internationale Gemeinschaft die Eskalation der Gewalt fort. Zugleich begrüßte sie die Initiativen der Londoner Konferenz zur schrittweisen Übertragung der Sicherheitsaufgaben auf einheimische Kräfte. Hoffmann forderte, mit dem Truppenabzug jetzt zu beginnen und den zivilen Aufbau zu stärken.

Die aus Afghanistan stammende Soziologin Mariam Notton sprach sich für ein Neutralitätsabkommen nach dem Beispiel von Laos aus. Zudem sollten ausländische Konten von Kriegsverbrechern und Drogenmafia eingefroren und die Gelder nach Afghanistan zurückgeleitet werden.


Käßmann: Gemischte Bilanz
Bischöfin Margot Käßmann bewertet die Ergebnisse der Londoner Afghanistan-Konferenz positiv, hält es nach eigenen Worten aber für problematisch, dass mehr Soldaten an den Hindukusch geschickt werden sollen. Ob der auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geforderte Strategiewechsel eingeleitet wird, sei noch offen, sagte die EKD-Ratsvorsitzende.

Käßmann sagte der «Frankfurter Rundschau» (Samstagsausgabe), zwei der zentralen Anliegen der EKD seien berücksichtigt worden: «Die deutsche Entwicklungshilfe wird verdoppelt. Das zeigt, dass der Vorrang des Zivilen wahrgenommen wird», sagte die Bischöfin, die den Bundeswehreinsatz in Afghanistan in mehreren Interviews und Predigten zum Jahreswechsel kritisiert hatte. Auch der Versuch, ein Aussteigerprogramm für Taliban-Kämpfer aufzulegen, zeige, «dass mehr Fantasie für den Frieden ins Spiel kommt».

Käßmann betonte, ihre zum Teil auch innerkirchlich kritisierte Position zum Afghanistan-Einsatz sei «völlig im Einklang mit den friedensethischen Positionen der EKD». Sie habe «noch nie mit einer Predigt so viel Resonanz hervorgerufen und eine - wie sich zeigt - notwendige Debatte ausgelöst», sagte die hannoversche Landesbischöfin. Mitunter müsse offensichtlich zugespitzt formuliert werden.

Die internationale Staatengemeinschaft hatte sich in dieser Woche in London darauf verständigt, die Verantwortung für die Sicherheit im Land in den nächsten Jahren schrittweise an die afghanische Regierung zu übergeben. Kurzfristig sollen die internationalen Truppen aufgestockt werden, ein Abzugsdatum wurde nicht vereinbart. Die Bundesregierung will bis zu 850 deutsche Soldaten zusätzlich nach Afghanistan entsenden und die Entwicklungshilfe auf 430 Millionen Euro pro Jahr nahezu verdoppeln. Derzeit umfasst das deutsche Kontingent 4.500 Soldaten.