Gemischte Bilanz nach dem Fußball-Ausnahmezustand in Südafrika

Die WM geht, alte Probleme bleiben

Nach der Fußball-WM das Fazit: Wie hat sich Südafrika präsentiert? Wie sieht die Zukunft des Landes aus? domradio.de-Korrespondent Wolfgang Drechsler zieht eine gemischte Bilanz. Die Bevölkerung strotze vor Selbstvertrauen, die Regierung habe Handlungsfähigkeit bewiesen. An alten Problemen ändert dies allerdings wenig.

 (DR)

domradio.de: Herr Drechsler, ganz Afrika hat diese WM gefeiert. In Sachen Sicherheit ist es sehr gut gelaufen während der ganzen WM. Welche Bedeutung hat der Bombenanschlag in Kampala, der Hauptstadt Ugandas während des Finales?
Wolfgang Drechsler: Der zeigt noch einmal, was in Afrika hätte passieren können. Denn diese Terrororganisation, die diesen Anschlag in Uganda vermutlich verübt hat, hat vor der WM auch gedroht, womöglich in Südafrika aktiv zu werden. Es handelt sich dabei um eine Terrorgruppe in Somalia, die versucht, die sehr schwache Übergangsregierung zu stürzen. Anhand dieser Vorfälle in Uganda hat sich wieder gezeigt, dass Südafrika Glück gehabt hat, dass man auch geografisch weit genug von dieser Gruppe entfernt liegt.

domradio.de: Wie wird das gestrige Finale - ein wenig schönes Spiel zwischen dem Weltmeister Spanien und den Niederlanden  - heute in Südafrika kommentiert?
Drechsler: Es herrscht ein bisschen Trauer, man hat hier gemeinhin den Holländern die Daumen gehalten. Es ist ja nun mal so, dass 1652 Jan van Riebeeck und die Holländer hier gelandet sind. Daher gibt es eine sehr enge Beziehung zwischen den beiden Staaten, die unter der Apartheid nicht die beste war, inzwischen hat man sich aber sehr gut zusammengefunden. Man hätte es den Holländern sehr gegönnt, 350 Jahre nach der Landung diesen Welt-Cup aus Südafrika mitzunehmen.

domradio.de: Vor einem halben Jahr waren sie mein Gesprächspartner und da hatte alle Welt die Sorge, dass Südafrika diese Logistik einer Weltmeisterschaft nicht schafft. Aber dem war ja ganz und gar nicht so, oder?
Drechsler: Die Sorge war da. Und die Südafrikaner waren am Ende auch selbst überrascht, wie gut alles gelaufen ist. Die Stadien waren ja sogar überpünktlich fertig. Hier in Kapstadt, wo ich lebe, war das Stadion zwei Monate vor dem ursprünglichen Termin fertig. Das war auch das Stadion, auf das Deutschland als Gradmesser ganz genau schaute. Also die Stadien waren ganz hervorragend. Sorge hat es wegen möglicher Gewalt gegeben, weil Südafrika bleibt - das darf man nicht völlig unter den Tisch kehren - ein gewalttätiges Land. Leider! Die Regierung hat mit 40.000 zusätzlichen Polizisten reagiert. Sie hat die notwendige Ausrüstung gekauft - endlich muss man sagen. Die Regierung hat wirklich auf die Ultimaten reagiert, die die WM ihr gesetzt hat. Jetzt darf man hoffen, dass das, was man in Sachen Organisation, Transport und Sicherheit gelernt hat, bei der Inangriffnahme der vielen sozialen Probleme kopiert wird.

domradio.de: Sie sagen, dass während der WM die Kriminalitätsrate aber deutlich gesunken sei. Kehrt denn jetzt in Südafrika wieder die Armut zurück oder ist die WM wegweisend, so dass sich im Land dauerhaft etwas ändert?
Drechsler: Das wäre zu hoffen. Dass Südafrika diesen Schub bekommt, weil das Land sehr stolz auf das Vollbrachte ist. Das Land strotzt jetzt vor Selbstvertrauen. Man hat der Welt gezeigt: Man kann so ein Mega-Event wirklich stemmen. Es wäre dem Land wirklich zu wünschen, dass man diesen Schwung bewahrt. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit muss man ein bisschen daran zweifeln, denn die Regierung reagiert leider meist immer nur dann, wenn die Welt auf Südafrika schaut. Wenn es um die eigenen Leute, die eigene Bevölkerung geht, da ist man doch sehr locker, sehr nachlässig, um die Sozialprojekte und die Wohnungsbauprojekte zu fördern, die notwendig sind, um diesen 50% der Menschen, die wirklich in bitterster Armut leben, herauszuhelfen. Und das sollte man bei allem Jubel und aller Freude über diese gelungene WM nicht vergessen: 50% leben in dieser bitteren Armut und haben sehr wenig von der WM gehabt. Die Regierung muss sich schleunigst daranmachen, etwas zu verändern. Es gibt jetzt schon Gerüchte von Unruhen in den Townships, auch von Übergriffen gegen Zuzügler aus dem übrigen Afrika. Die werden für die Nachlässigkeit der Regierung bei der Arbeitsplatzschaffung und beim Wohnungsbau verantwortlich gemacht.

Das Gespräch führte Monika Weiß.