Gemeinschaft Sant'Egidio warnt vor langem Krieg

"Gespür für den Frieden verloren"

Die für ihre Friedensarbeit international renommierte katholische Gemeinschaft Sant'Egidio warnt vor einem langen Krieg in der Ukraine. Bei den Regierenden sehe er keine Friedensvisionen, sagte der Generalsekretär Cesare Zucconi.

Ordensschwestern mit Ukraine-Schleife / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Ordensschwestern mit Ukraine-Schleife / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Der Krieg als Instrument für die Durchsetzung eigener Interessen habe sich in Europa wieder etabliert. "Wir haben schon das Gespür für den Frieden verloren." Mit Krieg dürfe man sich jedoch niemals abfinden, so Zucconi bei einem Vortrag am Donnerstagabend in Wien.

 Ukraine, Butscha: Ein Mann auf Krücken geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs vorbei / © Serhii Nuzhnenko (dpa)
Ukraine, Butscha: Ein Mann auf Krücken geht an den Überresten eines russischen Militärfahrzeugs vorbei / © Serhii Nuzhnenko ( dpa )

Auch er habe keine einfachen Antworten, wie der Konflikt in der Ukraine beendet werden könne. Es bestehe die große Gefahr, dass der Krieg in der Ukraine aufgrund einer Pattsituation noch lange weitergehen werde, "auf Kosten der ukrainischen Bevölkerung".

Zucconi verturteilt russischen Angriff

Eindringlich verurteilte Zucconi den russischen Angriff auf die souveräne Ukraine. Europa habe viel zu lange weggeschaut - in der Ukraine und etwa auch in Syrien, wo seit zwölf Jahren ein brutaler Krieg tobe, in dem Russland bereits den Willen gezeigt habe, seine imperialistischen Ziele auch mit brutaler Gewalt durchzusetzen.

Ukraine, Irpin: Ein älterer Mann wird in Irpin, Ukraine, von einem ukrainischen Soldaten in einer Schubkarre geschoben / © Diego Herrera (dpa)
Ukraine, Irpin: Ein älterer Mann wird in Irpin, Ukraine, von einem ukrainischen Soldaten in einer Schubkarre geschoben / © Diego Herrera ( dpa )

Gleichwohl plädierte Zucconi dafür, verstärkt Möglichkeiten für Gespräche auszuloten. Dass es aktuell immer noch minimale Möglichkeiten gebe, zeigten die regelmäßigen Gefangenenaustausche zwischen der Ukraine und Russland sowie das Getreideabkommen. Zucconi wies in diesem Zusammenhang auf die jahrelangen Initiativen von Sant'Egidio in Mosambik hin, die viel Geduld erfordert hätten, bis es endlich gelungen sei, ein Friedensabkommen zu erreichen.

Blick in andere Kriegsregionen wichtig

Weltweit gebe es derzeit rund 30 größere bewaffnete Konflikte, von denen die wenigsten auf öffentliches Interesse im Westen stießen.

"Wer redet von Libyen oder Afghanistan?", so Zucconi. Europa dürfe sich auf seiner kleinen "Glücksinsel" nicht abkapseln. Der Einsatz für Frieden sei nicht realitätsfern, betonte er. "Eine Zukunft, die vom Krieg geprägt ist, ist keine Zukunft." Zum Frieden gebe es keine Alternative.

Die Vision der Gemeinschaft Sant'Egidio

Die 1968 in Rom von Studierenden um den späteren Präsidenten Andrea Riccardi gegründete Bewegung Sant'Egidio widmet sich neben dem Gebet karitativer Arbeit, Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten und dem Dialog der Religionen. Sant'Egidio war in den vergangenen Jahrzehnten bereits an zahlreichen erfolgreichen Friedensverhandlungen beteiligt, so für Mosambik, Guatemala, den Kosovo, die Elfenbeinküste und den Südsudan.

Sant'Egidio - Überblick

Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere, ihr deutsches Zentrum seit 1983 Würzburg. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt. Finanziert wird ihre Arbeit durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie durch öffentliche Zuschüsse.

Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA