Nach Jahren gemeinsamer Bemühungen der Bischöfe beider Länder sei die Versöhnung "auf dem Papier bereits erreicht", heißt es in einer gemeinsamen Botschaft des Vorsitzenden der katholischen Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislaw Gadecki, und des Oberhaupts der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche, Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk.
Sie wurde am Freitag in einem Gottesdienst in der Johanneskathedrale in Warschau verlesen und unterzeichnet.
Kein Streit über Fakten und Bewertung
Anlass war der 80. Jahrestag der Massaker in der damals deutsch besetzten, heute überwiegend westukrainischen Region Wolhynien, die in Polen oft als Völkermord bezeichnet werden.
"Wir streiten uns nicht über die Fakten der jüngsten Vergangenheit und deren Bewertung", so Gadecki und Schewtschuk.
Sie verwiesen auf die Unterstützung der Polen für Ukrainer, die vor Russlands Angriffskrieg geflohen sind: "Millionen Polen haben ihre Häuser und ihre Herzen für die Flüchtlinge aus der Ukraine geöffnet."
Paradoxes Ergebnis des russischen Angriffskriegs
Paradoxerweise sei das Ergebnis des russischen Versuchs, die ukrainische Nation zu vernichten, eine gegenseitige Annäherung zwischen dem polnischen und dem ukrainischen Volk.
Die russische Aggression gegen die Ukraine habe erneut gezeigt, "dass die Versöhnung zwischen unseren Völkern und die Zusammenarbeit zwischen einem freien Polen und einer freien Ukraine erforderliche Voraussetzungen für den Frieden in unserem Teil Europas sind", heißt es in der Botschaft weiter.
Versöhnung könne nur auf gegenseitiger Vergebung, Wahrheit und Gerechtigkeit aufgebaut werden.
Johannes Paul II. als Schutzpatron der Versöhnung
In der Erklärung wird der heiliggesprochene polnische Papst Johannes Paul II. (1978-2005) mehrfach zitiert, etwa eine Predigt während seines Ukraine-Besuchs 2001. Dieser sei der Schutzpatron auf dem Weg der polnisch-ukrainischen Versöhnung.
Bereits zum 70. Jahrestag der Massaker hatten Schewtschuk und der damalige Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Jozef Michalik, gemeinsam zur gegenseitigen Vergebung von Verbrechen und "ethnischen Säuberungen" aufgerufen.
Allein am 11. Juli 1943, dem Höhepunkt der Massaker, überfielen Einheiten der ukrainischen Partisanenarmee UPA rund 100 Dörfer.
Aufruf zu Exhumierung und Bestattung
Sie beanspruchten das Gebiet, das bisher zu Polen gehört hatte, für einen künftigen ukrainischen Staat. Polnische Historiker gehen von bis zu 130.000 Todesopfern von 1939 bis 1947 aus. Aber auch polnische Nationalisten töteten damals ukrainische Zivilisten – bis zu 20.000.
Gadecki rief die Präsidenten und Regierungschefs der Ukraine und Polens auf, "alle Opfer des Völkermords würdevoll zu bestatten und zuvor die Leichen der Ermordeten zu exhumieren".
Er wandte sich zudem gegen eine Glorifizierung von Mitgliedern der einstigen "Organisation Ukrainischer Nationalisten" (OUN) und der Partisanenarmee UPA.
Gemeinsame Messe am Ausgangspunkt des Massakers
Gadecki und Schewtschuk unternehmen am Wochenende eine "Wallfahrt der Vergebung und Versöhnung" nach Wolhynien.
Am Samstag wollen sie in einem Dorf nahe der Stadt Wolodymyr eine Messe feiern, in dem im Februar 1943 die Massaker mit der Ermordung von etwa 150 Polen begannen.
Zu einem Gottesdienst in der römisch-katholischen Kathedrale in der Großstadt Luzk werden am Sonntag auch der Papstbotschafter in der Ukraine, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, und das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epiphanius erwartet.