Gänswein kritisiert deutschen Reformprozess

Kein Gradmesser für kraftvollen Glauben

Erzbischof Georg Gänswein hat sich kritisch zum Synodalen Weg, dem Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland, geäußert. Er wählte einen Vergleich aus der Medizin und hob zugleich das Wirken von Benedikt XVI. hervor.

Erzbischof Georg Gänswein / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

"Dieses Unternehmen sollte in der Missbrauchskrise als Medikament dem Patienten Kirche zur Gesundung verabreicht werden. Aber wie kann eine mangelhafte Diagnose zur richtigen Therapie führen?", sagte Gänswein der in München erscheinenden Illustrierten "Bunte" (Donnerstag).

Erzbischof Georg Gänswein / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )

Die angemessene Antwort auf die gegenwärtigen Herausforderungen heiße nicht Gerangel und Debatten um Struktur- oder Machtfragen.

Nach den Worten des Erzbischofs ist das Christentum in der Weltkirche nicht aus der Mode gekommen: "Deutschland ist nicht der Gradmesser für einen lebendigen und kraftvollen Glauben. Leider." Zugleich räumte Gänswein ein, dass die "beschämende Frage des Kindesmissbrauchs" eine tiefe Wunde in der Kirche sei, die alle Kräfte verlange, geheilt zu werden. "Das geschieht auch", fügte er hinzu. Klar sei, dass jeder Fall ein Fall zu viel sei.

Lob für Benedikt XVI.

In diesem Zusammenhang hob der 66-Jährige auch das Wirken von Joseph Ratzinger (1927-2022) hervor. Dieser sei als Präfekt der Glaubenskongregation und später als Papst Benedikt XVI. ein "Pionier in der Aufarbeitung dieses Übels" gewesen. Er habe sich als erster Papst auf seinen Apostolischen Reisen mit Missbrauchsopfern getroffen.

Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 (KNA)
Papst Benedikt XVI. im Jahr 2006 / ( KNA )

Zudem habe er als Kirchenoberhaupt über 400 Priester, die solche Verbrechen begangenen hätten, aus dem Dienst entlassen. Ihm Wissen und Duldung dieser Taten zu unterstellen, "ist infam und irrig. Das hat brandstifterische Wirkung."

Von der Börse fasziniert

Ursprünglich wollte Gänswein Volks- und Betriebswirtschaft studieren. Zwei Jahre vor seinem Abitur habe ihn besonders die Börse fasziniert, erzählte Gänswein weiter. Es sei dort zugegangen wie auf einem Jahrmarkt: "lautes Schreien, großer Wirrwarr, chaotisch - und das war die Seele der Ökonomie."

Erzbischof Georg Gänswein und der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Juni 2020 / © Sven Hoppe/dpa/Pool (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein und der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Juni 2020 / © Sven Hoppe/dpa/Pool ( KNA )

Als ihm sein Heimatpfarrer das Buch "Einführung in das Christentum" des jungen Professors Joseph Ratzinger geschenkt habe, sei die Wende gekommen, erzählte der Erzbischof. "Ich las das Buch; obgleich ich vieles nicht verstanden hatte, fesselte mich der Inhalt und bewirkte nach und nach eine Sinnesänderung."

Man könnte sagen, so Gänswein, Benedikt habe ihn zunächst für das Studium der Theologie und dann auch für das Priestertum begeistert. 35 Jahre später habe dieser ihm dann als Papst im Vatikan die Bischofsweihe erteilt. "Das war eines der berührendsten und bedeutendsten Erlebnisse meines Lebens."

Georg Gänswein

Nach seiner Kindheit in Riedern im Landkreis Waldshut studierte Gänswein in Freiburg und Rom Theologie. 1984 wurde er zum Priester geweiht. Nach seinen Kaplansjahren schickte ihn der damalige Freiburger Erzbischof Oskar Saier für eine Doktorarbeit im Kirchenrecht nach München, die er 1993 mit der Bestnote abschloss.

Erzbischof Georg Gänswein / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Georg Gänswein / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA