Für Sozialethiker Ockenfels bleibt das "C" das CSU-Markenzeichen

"Kein verlängerter Arm Roms"

Während die CSU ihre Entscheidung über die Zukunft von Ministerpräsident Edmund Stoiber in den Herbst vertagt hat, will die bayerische SPD vorgezogene Landtagswahlen notfalls sogar mit einem Volksentscheid durchsetzen. Für den Trierer Sozialethiker Wolfgang Ockenfels ist vieles von dem, was jetzt mit Stoiber passiert, auch ein Nachkarten aus persönlicher Rache. Fest steht für den Dominikanerpater, dass es im katholischsten Bundesland in der politischen Landschaft personelle Veränderungen geben wird. Davon könnte auch die Liaison zwischen Politik und Kirche betroffen sein, so der Dominikaner am Mittwoch im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 (DR)

KNA: Herr Professor Ockenfels, die bayerische Politik ohne Edmund Stoiber an der Spitze. Manch einem dürfte diese Vorstellung schwer fallen. Ihnen auch?

Ockenfels: Natürlich, man hatte sich so an ihn gewöhnt, auch an seine Macken. Aber schließlich wurde er immer mehr Gegenstand gehässiger Karikatur. Er fällt, weil er nicht mehr gefällt. Dabei ist er einer der besten und erfolgreichsten Politiker. Der aktuelle Fall, der für seinen jetzigen Abstieg herhalten muss, ist eigentlich lächerlich, aber die Gründe sind ernster und liegen tiefer.

KNA: Und die wären?

Ockenfels: In der langen Zeit seiner Regierung hat er beispielsweise bei den Besetzungen von Posten immer wieder Leute übergangen, die sich Hoffnungen auf eine politische Karriere gemacht haben. Hinzu kamen Sparentscheidungen für Bayern, die sehr hart waren und an vielen nicht spurlos vorübergegangen sind.
Eine Rolle dürfte auch sein Verzicht auf einen Kabinettsposten in der Regierung Merkel gespielt haben. Das haben ihm vor allem jene nicht verziehen, die sich selbst bereits in Stellung gebracht hatten. Vieles von dem, was jetzt passiert ist, ein Nachkarten, teils auch aus persönlicher Rache.

KNA: Welche politischen Veränderungen erwarten Sie in einer bayerischen Nach-Stoiber-Ära?

Ockenfels: Zunächst wird das Personalkarussell rotieren. Dabei drängen jene nach vorne, die sich seit Jahren von Stoiber zurückgesetzt fühlen. Hier hat sich viel Frustration angesammelt, und jeder Nachwuchspolitiker hält sich für ein Genie. Man kann nur hoffen, dass einer zum Zuge kommt, der solide ist, der christlich glaubwürdig ist und Kontinuität gewährleistet.

KNA: In Bayern stehen CSU und katholische Kirche traditionell eng beieinander. Wird sich durch einen Wechsel an der politischen Spitze daran etwas ändern?

Ockenfels: Hoffentlich nicht. Die Konfessionalität des Ministerpräsidenten spielt eine untergeordnete Rolle, wenn Bayern schon den Papst stellt. Viel wichtiger ist die Frage, ob sich der neue Kandidat mit den überwiegend katholischen Bürgern Bayerns versteht - und ob er eine Ahnung von der katholischen Soziallehre hat, die eben keine konfessionellen Schranken aufbaut.

KNA: Warum funktioniert gerade in Bayern die Liaison zwischen Kirche und CSU so reibungslos? Oder täuscht das Bild?

Ockenfels: Von "reibungslos" konnte schon bei Strauß, aber auch bei Stoiber keine Rede sein. Die haben sich nie als verlängerter Arm Roms verstanden, sondern blieben der "Libertas Bavariae"
verpflichtet. Diese Eigenwilligkeit zeigt sich etwa in der Frage der Schwangerschaftskonfliktberatung. Auch am christlichen Familienleitbild machte die CSU konkret einige Abstriche. Das ändert aber nichts daran, dass sie das "C" in ihrem Namen wesentlich ernster nimmt als die CDU.

KNA: Was auch bedeutet, dass die CSU konsequent an ihren konservativen Wertmaßstäben festhält. Kann das in einer sich wandelnden Gesellschaft auf Dauer gut gehen?

Ockenfels: Ganz gewiss, weil uns der gewöhnliche Pragmatismus und Populismus der regierenden Parteien, die zu mancherlei faulen Kompromissen genötigt sind, an den Rand des Abgrunds gebracht hat. Gerade jetzt ist die Rückbesinnung auf stabile christliche Fundamente in der Politik vonnöten. Dazu müssen dann auch die Kirchen einen stärkeren Beitrag leisten. Sonst hilft nur noch Beten.

Interview: Klaus Riddering (KNA)