Der scheidende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat die Kirche zu mehr Offenheit gegenüber der pluralen Gesellschaft aufgerufen. "Viele Menschen sind mit der traditionellen Sprache und den gewachsenen Symbolen unseres christlichen Glaubens nicht mehr vertraut", sagte er am Montagabend beim Gottesdienst zum Auftakt des Frühjahrstreffens der Bischöfe. Zudem gebe es einen Glauben an eine "Kraft von oben" oder an irgendetwas Höheres, aber nicht unbedingt an einen personal verstandenen Gott. "Auch diese Menschen sind die Adressaten der Botschaft des Evangeliums in unserer Zeit", so Zollitsch.
Die Christen seien herausgefordert, "mit den Suchenden auf der Suche zu sein", sagte der Freiburger Erzbischof. Das bedeute, nicht von vorneherein immer alles wissen zu wollen und zuerst Erwartungen zu formulieren. Vielmehr komme es auf die Bereitschaft an, "durch die Menschen unserer Tage Gott zu begegnen und durch sie etwas Neues von ihm zu erfahren". Zollitsch zitierte den tschechischen Theologen Tomas Halik: "Eine religiöse Gemeinschaft, die nur mit den Hundertprozentigen rechnet, ist eine Sekte." Dies dürfe die Kirche nicht sein. Wer den Auftrag Jesu ernst nehme, müsse das Evangelium bis an die Enden der Erde und an die Grenzen menschlicher Existenz tragen.
Engagement für die Armen
Weiter forderte der Erzbischof mehr persönliches Engagement für die Armen. "Es ist in unserer Gesellschaft tief verankert, dass wir dazu neigen, zuerst nach dem Staat zu rufen, der helfen soll und Geld zu geben habe, damit die Armut beseitigt werden kann", sagte Zollitsch. Zwar müsse von staatlicher Seite alles gegen Armut getan werden. "Wir sind aber immer auch nach dem gefragt, was wir selbst tun, um die Not der Menschen zu lindern", betonte der Konferenz-Vorsitzende. Dabei verwies er auf materielle und seelische Not, Kinder getrennter Eltern, Mobbing am Arbeitsplatz, alte und kranke Menschen sowie Suizidgefährdete.
"Wir können uns als Christen nicht in eine himmlische Kuschelecke zurückziehen und uns allein auf die Verbindung zu Gott beschränken", so der Erzbischof. "Was wir brauchen, ist immer auch die Verbindung zur Erde und zu den Menschen - ohne den Bezug zu Gott und zum Himmel zu verlieren." Die Solidarität mit Anderen muss laut Zollitsch über die Grenzen Deutschlands hinausreichen. Deshalb beschäftigte sich die Vollversammlung mit der Lage der Religionsfreiheit in der Welt.
Transparenz bei den Finanzen
Zuvor hatte Zollitsch zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung angekündigt, bei den Kirchenfinanzen mehr Transparenz herzustellen. Es müssten Wege gefunden werden, sonstige Vermögen wie etwa den Wert kirchlicher Immobilien nachvollziehbar darzustellen, sagte Zollitsch in seinem Eröffnungsstatement. Als Zeitplan nannte er das kommende Jahr.
Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, der wegen explodierender Baukosten beim Bau der Bischofsresidenz derzeit von Papst Franziskus beurlaubt ist, nimmt nicht an der Vollversammlung in Münster teil. Er wird vom Limburger Weihbischof Thomas Löhr vertreten.
Mit Blick auf den von der Bischofskonferenz in Auftrag gegebenen Prüfungsbericht sagte Zollitsch, es sei im "Interesse aller, dass die Entscheidung nicht zu lange herausgezögert wird". Zollitsch hatte den Bericht der Prüfungskommission vor einer Woche der Bischofskongregation in Rom übergeben. Da sich der Papst derzeit zu Exerzitien zurückgezogen hat, sei eine Entscheidung nicht mehr in dieser Woche zu erwarten, hieß es.
Im Mittelpunkt der Bischofskonferenz steht die Wahl eines neuen Vorsitzenden am Mittwoch. Der 75-jährige Zollitsch gibt aus Altersgründen sein Amt nach sechs Jahren auf. Bereits im September hatte Papst Franziskus ihm den Rücktritt als Freiburger Erzbischof ermöglicht. Zur Vorbereitung ziehen sich die Bischöfe am Dienstag zu einer Art "Vorkonklave" zusammen. "Es ist gar nicht so einfach, 27 Diözesen auf eine Linie zu bringen", sagte Zollitsch.
Keine Entscheidung zu Wiederverheirateten
Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung, die noch bis Donnerstag andauert, werden die 66 Weih- und Ortsbischöfe zudem die Vorbereitung der Sondersynode zum Thema Ehe und Familie im Oktober in Rom besprechen. Es werde in dieser Woche jedoch noch keinen Beschluss zum Thema der wiederverheirateten Geschiedenen fassen. Zollitsch erklärte, die Oberhirten würden das Thema debattieren, ein endgültiger Antrag für die Weltbischofssynode in Rom werde aber erst beim Ständigen Rat im April verabschiedet. Zollitsch betonte, der Vortrag, den Kurienkardinal Walter Kasper vor wenigen Wochen in Rom in Anwesenheit des Papstes gehalten habe, zeige auch für die deutschen Bischöfe die Richtung an.
Im Vorfeld der Versammlung in Münster hatten Medien berichtet, die Bischöfe wollten bereits in dieser Woche ihre Position zu dem schwierigen Thema festlegen. Katholiken, die nach einer Scheidung erneut eine Zivilehe eingehen, gehören weiterhin zur katholischen Kirche, sind aber vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen. Verschiedene Bischöfe hatten in den vergangenen Jahren vorgeschlagen, dies zu ändern.
Darüber hinaus befassen die Bischöfe sich in Münster mit dem Forschungsprojekt "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen". Die katholische Kirche hatte im August 2013 das Forschungsprojekt neu ausgeschrieben, nachdem ein erstes Projekt zusammen mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen gescheitert war.
Sekretariat der Bischöfe soll in Bonn bleiben
Von einer Verlegung des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) von Bonn nach Berlin hält Zollitsch nicht viel. Die Präsenz des Sekretariats in Bonn und die politische Vertretung der Kirche über das Katholische Büro in Berlin hätten sich bewährt, sagte der scheidende Episkopats-Vorsitzende auf Nachfrage. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) denke nicht an einen Umzug ihrer Zentrale von Hannover in die Bundeshauptstadt.
Laut Zollitsch will er dieses Thema in der Konferenz ansprechen. Es werde aber keinen Schnellschuss geben. Er bekundete Verständnis für den Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki, der ihn auf diese Frage angesprochen habe. Kürzlich hatten der Augsburger Bischof Konrad Zdarsa und der Präfekt des Päpstlichen Hauses, der aus Deutschland stammende Kurienerzbischof Georg Gänswein, für einen Umzug und eine Verschlankung des Sekretariats plädiert.
Nuntius mahnt deutsche Bischöfe zur Einheit
Der neue Nuntius in Deutschland, Erzbischof Nikola Eterovic, hat die deutschen Bischöfe zur Einheit aufgerufen. Zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung mahnte der Papstbotschafter am Montag in Münster laut Redemanuskript für die Kirche einen gemeinsamen Weg an, der der Richtungsangabe des Papstes entspreche. "Das möge unser Programm im Dienst an der geliebten Kirche in Deutschland sein", sagte Eterovic bei seinem ersten Auftritt im Rahmen einer Vollversammlung der deutschen Bischöfe.
Eine Weggemeinschaft setze voraus, aufeinander zu hören sowie Dialog, Geduld, Respekt und vor allem Liebe zu üben, so der Vatikandiplomat. Dies gelte besonders gegenüber denen, die gerne schnell oder sehr langsam vorankommen wollten. "Beide Richtungen schaden womöglich der Einheit der Kirche", sagte Eterovic.
Der Papstbotschafter will nach eigenem Bekunden sein Amt entsprechend der Ausrichtung von Papst Franziskus "in einem synodalen Geist" ausüben. Dabei wolle er seine zehnjährige Erfahrung als Generalsekretär der Welt-Bischofssynode einbeziehen. Seine Hauptaufgabe sei es, die Einheit zwischen der Kirche in Deutschland und Rom zu stärken.
Eterovic bezog den Ruf nach Einheit auf die Christenheit insgesamt. Die Ermahnungen des heiligen Paulus, die Gefahren der Spaltungen zu überwinden, blieben aktuell, sagte er mit Hinweis auf die in Deutschland vor 500 Jahren begonnene Reformation.
Der Nuntius dankte dem scheidenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Zugleich bekundete er die Hoffnung auf Verständnis und gute Zusammenarbeit mit den Bischöfen und dem neu zu wählenden Vorsitzenden.
Web-TV-Termine
domradio.de überträgt live im Web-TV in Kooperation mit dem Bistum Münster und katholisch.de folgende Gottesdienste und Termine:
Montag, 10.03. – ab 18.30 Uhr: Eröffnungsgottesdienst der FVV der Bischofskonferenz
Dienstag, 11.03. – ab 7.30 Uhr: Eucharistiefeier zur Vollversammlung der DBK
Mittwoch, 12.03. – ab 7.30 Uhr: Eucharistiefeier zur Vollversammlung der DBK
Mittwoch, 12.03. – ab 10.30 Uhr: Vorstellung des neu gewählten Vorsitzenden der DBK
Donnerstag, 13.03. – ab 7.30 Uhr: Eucharistiefeier zur Vollversammlung der DBK
Donnerstag, 13.03. – ab 16 Uhr: Abschluss-Pressekonferenz mit dem neuen Vorsitzenden