Fronten für und gegen Abtreibung in den USA verhärten sich

"Pro Life" bekommt Gegenwind

Zum 50. Mal haben in Washington Abtreibungsgegner den "Marsch für das Leben" begangen. Sie begrüßen die Aufhebung des landesweiten Rechts auf Abtreibung in den USA. Zugleich gibt es aber auch viel Widerstand gegen das Urteil.

Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley (dpa)
Eine Abtreibungsbefürworterin konfrontiert einen Abtreibungsgegner / © Alexandra Wimley ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was stellen sich die Organisatoren des Marsches für das Leben nach dem Urteil vom vergangenen Sommer vor? Wie soll es weitergehen?

Klaus Prömpers (privat)
Klaus Prömpers / ( privat )

Klaus Prömpers (Journalist, USA-Experte und ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken): Nach ihrer Vorstellung ist jetzt ein zweiter Schritt nötig. Die Zwischenwahlen zum Repräsentantenhaus im November des letzten Jahres, die Gouverneurswahlen und anderes haben gezeigt, dass die Abtreibung in verschiedenen Bundesstaaten bei Volksabstimmungen durchaus befürwortet wurde.

Nehmen wir als Beispiel Michigan. Dort sprach sich eine Mehrheit der Wähler für eine Beibehaltung der Möglichkeit zur Abtreibung aus, zwar eingeschränkt, aber immerhin. Dies sei, so die Organisatoren des Marsches "Pro Life" in Michigan, Anlass, im Lande weiter zu demonstrieren, zum Beispiel auch am 28. Januar vor dem Haus des Gouverneurs.

DOMRADIO.DE: Wie stellen sich die Gegner der Abtreibung die nächsten Schritte vor?

Prömpers: Die müssen jetzt für sich klären, ob sie bei der Position, wie sie jetzt ist, bleiben oder nicht. Natürlich werden sie nicht dabeibleiben, sondern sie werden versuchen, das in den einzelnen Bundesstaaten aufzuweichen, genauso wie die Gegner der Abtreibung.

Klaus Prömpers (USA-Experte und ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken)

"Sie wollen zeigen, dass in einzelnen Bundesstaaten bereits beschlossene Ausnahmen möglich sind."

Sie wollen zeigen, dass in einzelnen Bundesstaaten bereits beschlossene Ausnahmen möglich sind, zum Beispiel bei einer Schwangerschaft nach Inzest, nach Vergewaltigung, bei einer Schwangerschaft mit schwieriger, medizinischer Lage für das Baby oder die Mutter.

Die sind nun zwar teilweise möglich, aber viele Juristen in Krankenhäusern schrecken davor zurück, Abtreibungen in ihren Häusern zuzulassen, selbst wenn das nach dem Gesetzt juristisch möglich wäre, weil die Lage so komplex ist.

Das heißt, aus deren Sicht gilt es noch sehr viel dafür zu tun, dass Abtreibung möglich bleibt, insbesondere für Minderheiten, für Menschen mit wenig Geld, die es sich nicht wie Reiche leisten können, in einen anderen Bundesstaat zu fahren.

DOMRADIO.DE: Wie sieht jetzt die politische Landschaft nach dem Urteil und nach den Zwischenwahlen aus?

Klaus Prömpers (USA-Experte und ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken)

"Nur 37 Prozent der amerikanischen Wahlbevölkerung sagt zu allen Formen der Abtreibung generell 'nein'."

Prömpers: Die Republikaner selbst sind in sich in der Frage zerstritten, denn sie sehen sich, wenn sie Umfragen betrachten, einer großen Mehrheit von 61 Prozent der Amerikaner gegenüber, die für die Abtreibungsmöglichkeit ist, auch wenn nur eingeschränkt. 37 Prozent der amerikanischen Wahlbevölkerung sagt dagegen zu allen Formen der Abtreibung generell "Nein".

Das heißt, die Republikaner sagen, wenn wir jetzt zu strikt den Kurs in den Bundesstaaten verfolgen, dann könnte uns hier und dort auch wieder eine Abwahl drohen. Deswegen wird auch unter den Republikanern gestritten. Nachdem vor zwei Jahren auch Donald Trump auf der Kundgebung war, ist es in diesem Jahr der führende Republikaner und Mitglied des Repräsentantenhauses aus Louisiana, Steve Scalise. Er war einer der großen Redner auf der "Pro Life"-Demonstration in Washington.

DOMRADIO.DE: Wie steht die katholische Kirche in den USA dazu? Steht sie geschlossen hinter diesen Forderungen?

Prömpers: Die Bischöfe sind in überwiegender Mehrheit dafür, dass es gar keine Abtreibungen gibt, das ist klar. Das geht sogar teilweise sehr weit.

Klaus Prömpers (USA-Experte und ehemaliges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken)

"Es gibt natürlich auch Katholiken, die sagen, es muss Ausnahmen geben."

Im Bundesstaat Colorado wurde zum Beispiel ein Gesetz beschlossen, dass Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich macht. Daraufhin gab es eine Bischofskonferenz-Weisung der Bischöfe Colorados, die besagt, dass diejenigen Politiker, die dazu "Ja" gesagt haben, nicht zur Kommunion gehen sollen.

Dort gibt es also eine strikte Verweigerung von Abtreibung. Aber es gibt natürlich auch Katholiken, die sagen, es muss Ausnahmen geben, zum Beispiel wenn das Wohl der Mutter gefährdet ist oder schon früh erkennbar ist, dass das Kind spätestens unmittelbar nach der Geburt, vielleicht sogar schon im Mutterleib sterben wird.

Da gibt es viele Fälle medizinischer Art, aber auch bei Vergewaltigung und Inzest sollte man Ausnahmen zulassen. Da gibt es Streit innerhalb der katholischen, wie auch innerhalb der protestantischen Kirche.

Abtreibungsgegner nehmen an der Demonstration March for Life (Marsch für das Leben) und marschieren in Richtung des Obersten Gerichtshofs der USA. Es ist das erste Mal, dass der March for Life stattfindet, nachdem das Oberste Gericht der USA das Recht auf Abtreibung im vergangenen Jahr gekippt hat. / ©  Alex Brandon (dpa)
Abtreibungsgegner nehmen an der Demonstration March for Life (Marsch für das Leben) und marschieren in Richtung des Obersten Gerichtshofs der USA. Es ist das erste Mal, dass der March for Life stattfindet, nachdem das Oberste Gericht der USA das Recht auf Abtreibung im vergangenen Jahr gekippt hat. / © Alex Brandon ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Apostolische Nuntius in den USA, Erzbischof Christophe Pierre, versicherte, Papst Franziskus sei mit den Teilnehmern des Marsches im Geiste verbunden. Welche Position nimmt er ein?

Prömpers: Der Papst ist natürlich gegen Abtreibung, aber er weiß aus seiner lateinamerikanischen Erfahrung, dass gerade arme Bevölkerungsschichten in schwierige Situationen kommen können. Deswegen würde er zum Beispiel, so glaube ich, nicht sagen, dass man das strafrechtlich verfolgen soll.

Darum geht es aber den Abtreibungsgegnern in den USA, aber auch bei uns in Deutschland. Man solle versuchen, so viele Möglichkeiten wie möglich zu schaffen, solchen Frauen zu helfen, die in schwierige Situationen kommen, damit sie ihr Baby bekommen können.

Ich glaube, er würde nicht gänzlich ausschließen, dass es medizinische Notfallsituationen geben kann, bei denen eine Abtreibung unter Umständen doch sinnvoll ist, um das Leben der Mutter zu retten und sie damit sozusagen als Mutter für die übrigen Kinder weiter am Leben zu lassen.

DOMRADIO.DE: Und die Ziele der Gegendemonstranten?

Prömpers: Die sind sehr unterschiedlich. Es gibt beispielsweise von der schwarzen Bevölkerung sehr starken Druck auf die Abgeordneten in den jeweiligen Landesparlamenten, Abtreibungen für die Zukunft zu ermöglichen. Denn vor allem schwarze Bevölkerungsteile in Amerika und auch andere Minderheiten, leiden darunter, wenn Abtreibung nicht möglich oder so gut wie ausgeschlossen ist. Das ist sie mittlerweile in 18 Bundesstaaten.

Sie wollen also eine erweiterte Abtreibungsmöglichkeit, teilweise eingeschränkt bis sechs oder bis 15 Wochen.

Die "Pro Life"-Demonstranten wiederum sagen im Grunde, es gelte ab dem ersten Herzschlag des Babys jegliche Form der Abtreibung zu verhindern.

Dazwischen tobt der Streit und der wird sicherlich weitergehen und in den einzelnen Bundesstaaten immer wieder neu justiert werden. Das erfolgt dann durch neue Gesetze und die Anpassungen der neuen Gesetze an den Druck derjenigen, die leiden, wenn ihnen etwas widerfährt, wie zum Beispiel eine Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung.

Das Interview führte Dagmar Peters. 

Oberstes US-Gericht öffnet Weg für Abtreibungsverbote

Das oberste Gericht der USA ermöglichte den Bundesstaaten mit einem Urteil von Juni 2022 ein Verbot von Abtreibungen. Die Richter in Washington hoben das Grundsatzurteil "Roe vs. Wade" auf, das im Jahr 1973 Abtreibungen zur Privatsache erklärte. Bisher hatte das Gericht demnach Abbrüche bis zur 24. Schwangerschaftswoche für rechtmäßig erklärt.

Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP (dpa)
Abtreibungsrecht USA - Oberster Gerichtshof / © Mariam Zuhaib/AP ( dpa )
Quelle:
DR