Frommes Durcheinander in der Jerusalemer Grabeskirche

Wenn alle gleichzeitig Ostern feiern

Sechs Konfessionen sind in der Grabeskirche angesiedelt, die die Orte von Kreuzigung und Auferstehung Jesu umfasst: Griechisch-Orthodoxe, "lateinische" Katholiken, Armenier, Kopten, Syrer und auf dem Dach die Äthiopier. Spätestens seit Karfreitag lagen die Nerven bei vielen blank.

Autor/in:
Gabi Fröhlich
 (DR)

Der koptische Sänger hatte seine liebe Mühe, gegen den Lärmpegel in der Grabeskirche anzukommen: Von oben dröhnte die katholische Orgel österliche Jubelklänge, rechts schmetterte der stimmgewaltige Männerchor der Armenier sein Halleluja und um das koptischen Kapellchen beim Grab Christi lagerten seine eigenen ägyptischen Gläubigen mit Campingstühlen und führten angeregte Unterhaltungen. Rundherum brandete eine unübersehbare Menschenmenge.

Der bärtige Mönch holte tief Luft, konzentrierte sich auf die arabischen Schriftzeichen auf seinem von Kerzenlicht beschienenen Pult. Und dann mischte er seine monotonen Gesänge in die unzähligen Stimmen, die - zwar nicht gemeinsam, aber zumindest gleichzeitig - die Auferstehung Jesu bejubelten. Doch nicht alle behielten an diesen Ostertagen so stoisch die Ruhe wie der Kopte. Denn gemeinsame Ostertermine von Ost- und Westkirchen bedeuten in Jerusalem auch Stress.

Hier und dort kam es zu Rangeleien, wenn Ehrengarden mit Stockschlägen auf den Boden ihren jeweiligen Kirchenführern den Weg durch das Gedränge bahnten. Die israelische Polizei versuchte mit Hundertschaften, die Massen in gewisse Bahnen zu lenken - sorgte jedoch mit ihren ruppigen Anweisungen zuweilen für zusätzliche Unruhe.

Auch für die deutschen Sängerinnen und Sänger auf der katholischen Empore war die brodelnde Geräuschkulisse eine Herausforderung: 15 Mitglieder zweier Gregorianik-Chöre der Freiburger Musikhochschule waren nach Jerusalem gekommen, um die zentralen katholischen Feiern musikalisch mitzugestalten. Gemeinsam mit einem einheimischen Chor waren sie so ganz nah am Ort des Geschehens: am Gründonnerstag beim Garten Getsemani, am Karfreitag auf dem Golgotha und zu Ostern am Grab Jesu.

Aber auch mitten im Chaos. Für die Sänger war das ein beeindruckendes und gleichzeitig verwirrendes Erlebnis - gerade in der Grabeskirche mit ihren vielen Riten und «vielen kleine Nischen», wie Andreas Mölder es ausdrückte. Die fehlende Gebets-Atmosphäre werde aber dadurch kompensiert, dass dies wirklich die Orte des Wirkens Jesu seien. Chorleiter Christoph Hönerlage stimmte dem zu:
«Es erfordert zwar Eigeninitiative, sich in dem Lärm zu vergegenwärtigen, wo wir sind und was wir singen. Aber dann kommt beides doch zusammen: der Ort und die Texte.»

Dazwischen gab es jedoch auch ruhigere Momente - etwa bei der Vigilfeier, als die Grabeskirche wegen der anschließenden orthodoxen Liturgie des «Heiligen Feuers» völlig abgeriegelt war. Per Polizeieskorte wurde der Chor im frühen Morgengrauen mit einer Franziskanerprozession und rund 200 Gläubigen durch die Absperrungen geschleust - um beim Grab Jesu mit dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem die Osternacht zu feiern. Umgeben von Polizei. Am frühen Samstagmorgen.

Wenn auch der Termin - eine alte Tradition, an der wegen des ökumenischen Regelwerkes im Heiligtum nichts geändert werden kann - befremdlich ist: Für die Freiburger bleiben es unvergessliche
Augenblicke: «Ich freue mich schon aufs nächste Osterfest», meinte Mölder. «Es wird auch Vorteile haben, daheim zu feiern - aber ich werde dann an die Tage hier zurückdenken und die jeweiligen Orte vor Augen haben.»