Friedenstreffen europäischer Jugend in Italien beendet

"Ich bin nicht alleine"

Rund 1.000 Jugendliche haben am Wochenende beim Treffen der Jugend für den Frieden in Padua und Venedig Zeichen gegen Krieg gesetzt. Sie sind mit der Gemeinschaft Sant' Egidio verbunden. Auch eine Gruppe aus Mönchengladbach war dabei.

Symbolbild Jugendliche in Gemeinschaft / © DavideAngelini (shutterstock)
Symbolbild Jugendliche in Gemeinschaft / © DavideAngelini ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist ein solches Zeichen für den Frieden angesichts der vielen Gewalt in der Welt? 

Gabi Brülls (Mitgründerin der christlichen Gemeinschaft Sant'Egidio in Mönchengladbach): Es ist enorm wichtig. Wir aus Mönchengladbach sind mit 19 Jugendlichen gekommen, die alle schon seit Jahren Dienste machen, sich mit den Kindern der Friedensschule beschäftigen, alte Menschen besuchen oder Obdachlose betreuen und ihnen zu essen geben.

Sie alle machen die Erfahrung, dass man etwas ändern kann. Das in Padua mit fast 1.000 Jugendlichen zusammen zu erleben, ist erstmal eine große Ermutigung und gibt Kraft zu sehen, was man bewegen kann. 

DOMRADIO.DE: Drei Tage von Freitag bis Sonntag hat das Treffen in Padua und Venedig gedauert. Wie läuft so etwas ab? Es gab ja zum Beispiel am Ende einen Flashmob. 

Gabi Brülls

"Menschlichkeit kann man immer leben. Das war sehr wichtig für uns alle zu hören."

Brülls: Richtig. Erstmal sind diese Tage von viel Austausch geprägt. Man begegnet sich, man hat sich auch aufeinander gefreut. Man hat die Kontakte im Jahr mit den verschiedenen Ländern gehalten. Sich dann wieder zu sehen, zu erzählen, Zeit zu haben, sind große Ermutigungen.

Wir verbringen viel Zeit zusammen. Wir sehen und hören die Worte von Präsident Marco Impagliazzo (Vorsitzender der Gemeinschaft Sant'Egidio, Anm. d. Red.), aber auch die Zeugnisse der Jugendlichen, die selber versuchen, darauf zu reagieren, was in dieser Welt passiert. 

Wir hatten unsere Freunde aus der Ukraine dabei, denen wir ermöglichen konnten, an dem Treffen teilzunehmen. Das war sehr bewegend, weil auch sie uns erzählt haben, dass sogar in dem Bösen des Krieges etwas Neues, etwas Gutes entstehen kann. Denn sie selbst sind geflüchtet und sind dann an den Zentren von Sant'Egidio in den drei ukrainischen Städten Kiew, Lemberg unf Iwano-Frankiwsk selber zu Helfern für andere geworden.

Das ist etwas, was mitten im Krieg entstehen kann. Und was sehr viel Mut macht, denn Menschlichkeit kann man immer leben. Das war sehr wichtig für uns alle zu hören. 

DOMRADIO.DE: Wie wichtig ist dieses Zeichen der Solidarität für die Ukraine? Konnten die Teilnehmenden den Mädchen und Jungen Zuversicht und Mut vermitteln und mit auf den Weg geben? 

Gabi Brülls

"Etwas für die anderen zu tun, befreit mich von meinen eigenen Problemen und zeigt mir, dass ich etwas tun kann. Ich glaube, das ist das wichtigste Geschenk, das man mitnehmen kann."

Brülls: Es war sehr wichtig. Denn sie spürten die große Solidarität, die Freundschaft, aber auch das Gebet von vielen jungen Menschen in den anderen Ländern. Sie haben aber auch die konkrete solidarische Hilfe gespürt, die von unseren Gemeinschaften gegeben wird, damit in den Zentren von Sant'Egidio in der Ukraine viele Tausende Menschen jeden Tag  mit Lebensmitteln, aber auch mit einem Gespräch, mit Zeit versorgt werden können.

Es gibt Friedensschulen, die in Irpin in der Ukraine mitten in kaputten Schulen entstanden sind, wo betroffene Kinder ein bisschen Normalität und auch Zuversicht erfahren. Diese Jugendlichen aus der Ukraine haben gespürt, dass andere an ihrer Seite sind. Wir haben auch ein Friedensgebet für die Ukraine abgehalten, aber auch für die vielen anderen Länder im Krieg. 

DOMRADIO.DE: Was bleibt denn für Sie persönlich am meisten in Erinnerung von diesem Wochenende? 

Brülls: Das sind die Zeugnisse der Jugendlichen, die gemerkt haben, dass sie hier eine große Identität gefunden haben: Wir sind die Jugend des Friedens. Egal, wo wir herkommen. Wir haben Jugendliche aus Syrien dabei, aus dem Irak, aus Armenien. Viele, die ihre Geschichte erzählt haben, auch als Geflüchtete, die aber alle hier eine Gemeinschaft finden, wo sie einen Platz haben und wo sie etwas für andere tun können.

Sie alle haben festgestellt: Etwas für die anderen zu tun, befreit mich von meinen eigenen Problemen und zeigt mir, dass ich etwas tun kann. Ich glaube, das ist das wichtigste Geschenk, das man mitnehmen kann.

Aber auch diese konkrete Freundschaft und diese Sicherheit ist wichtig. Ich bin nicht alleine, ich muss nicht alleine kämpfen. Heutzutage ist in unserer Welt alles sehr individualistisch geworden. Man muss immer alles alleine machen. Aber hier merken wir die Kraft dieser Freundschaft, die immer treu ist.

Wichtig waren aber auch die vielen Geschichten von alten Menschen, von Kindern, die wieder angefangen haben zu lächeln, weil ein Jugendlicher an ihrer Seite ist und ihnen seine Freundschaft schenkt. Das ist sehr beeindruckend.

Egal aus welchem Land jemand gesprochen hat, es ist immer diese Erfahrung, dass man einen Sinn hat, dass man gebraucht wird.

Das ist etwas, was einen neuen Weg aufweist, einen Weg, den wir gehen können, ohne Angst zu haben, ohne uns hilflos zu fühlen. 

Das Interview führte Katharina Geiger.

Sant'Egidio - Überblick

Die im Mai 1968 in Rom entstandene katholische Bewegung Sant'Egidio widmet sich der karitativen Arbeit, der Diplomatie in Bürgerkriegsgebieten sowie dem Dialog der Religionen. Sie hat nach eigenen Angaben rund 60.000 Mitglieder in 70 Ländern, davon 5.000 in Deutschland. Ihr Hauptsitz befindet sich im römischen Stadtteil Trastevere, ihr deutsches Zentrum seit 1983 Würzburg. Seit 1986 ist die ökumenisch stark engagierte Gemeinschaft von der katholischen Kirche als Laienvereinigung anerkannt. Finanziert wird ihre Arbeit durch Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie durch öffentliche Zuschüsse.

Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani (KNA)
Logo der katholischen Gemeinschaft Sant'Egidio / © Paolo Galosi/Romano Siciliani ( KNA )