Franz Müntefering über seinen 80. Geburtstag

"Das Älterwerden gehört dazu"

Er hatte "das schönste Amt neben dem Papst" inne. So hat es der ehemalige SPD-Vorsitzende Franz Münterfering selbst gesehen. An seinem 80. Geburtstag erklärt er, wie er das Älterwerden empfindet und wie er auf seine Partei schaut.

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Franz Müntefering wird 80 / © Fredrik von Erichsen (dpa)
Franz Müntefering wird 80 / © Fredrik von Erichsen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind im katholischen Sauerland katholisch geprägt aufgewachsen. Würden Sie heute sagen, ich bin dem lieben Gott dankbar für die Jahre, die jetzt hinter mir liegen?

Franz Müntefering (SPD-Politiker, ehemaliger Parteivorsitzender und Vizekanzler): Ich bin sehr dankbar, denn ich lebe sehr gerne. Vor allen Dingen bin ich meinen Eltern dankbar.

DOMRADIO.DE: Sie haben auch immer wieder gesagt, dass Sie in späteren Jahren ein eher distanziertes Verhältnis zur katholischen Kirche hatten. Aber wie sieht es mit dem Glauben aus: Hat der Ihnen in schwierigen Zeiten manchmal geholfen?

Müntefering: Ich habe mich da immer an meine Mutter gehalten. Die hat mir immer gesagt, dass die drei Elemente Glaube, Hoffnung, Liebe wichtig sind. Das Wichtigste aber ist die Liebe. Diese Liebe, das ist für mich Solidarität und wie man mit Menschen umgeht. Das ist mir das Wichtigste. Sie hat immer gesagt, es sei eine Gnade, wenn man glaubt. Das kann man nicht immer selbst entscheiden. Für mich ist dabei das Wichtigste Nächstenliebe.

DOMRADIO.DE: Dann kommen wir doch mal zu Ihrem Zitat. Sie haben damals gesagt, der SPD-Vorsitz sei das "schönste Amt neben dem Papst".  Als Sie das gesagt haben, da war die SPD noch eine wichtige Volkspartei. Wie traurig sind Sie darüber, dass die SPD doch so an Zustimmung verloren hat?

Müntefering: Natürlich ist das nicht schön und man ist auch bedrückt. Aber die Chance ist auch wieder da, sich zu erholen. Dass die Zustimmung zurückgegangen ist, das hängt mit vielen Dingen zusammen. Zum einen, dass die SPD die älteste und originellste Industriearbeiter-Partei war. Dieses große Industriezeitalter ist vorbei. Das Publikum hat sich verändert. Es verändern sich Mitgliedschaften. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern auch in anderen Ländern.

Aber das Problem ist eigentlich sehr viel größer: Denn fast alle demokratischen Parteien haben im Moment Schwierigkeiten, in einer neuen Zeit anzukommen, wo sich vieles verändert hat. Das hat mit Medien zu tun. Das hat etwas damit zu tun, dass der politische Primat nicht mehr nur bei den politischen Parteien ist, sondern dass die Informationsstränge und die Meinungsbildungsstränge völlig anders laufen, als wir das noch vor 20 Jahren gekannt haben. Das verändert die Bedingungen der Demokratie. Das muss eigentlich unsere Sorge sein.

DOMRADIO.DE: Sie haben vor Kurzem ein Buch über das Altwerden geschrieben und Sie sind heute Vorsitzender in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisation. Was ist denn in Ihren Augen das Schwierigste am Älter- oder Altwerden?

Müntefering: Bis jetzt bin ich ganz gerne älter geworden. Das Älterwerden gehört dazu. Wenn man lebt, wird man älter. Das weiß man. Ich wünsche mir, dass ich gesund älter werden kann. Dann ist schon vieles gewonnen. Man kann seine Gesundheit nicht immer so bestimmen, wie man möchte. Das ist schon richtig. Aber man kann trotzdem ein bisschen dafür tun und versuchen, die Chancen zu nutzen, die es für einen gibt. Das ist bei den Menschen sehr unterschiedlich. Mein Vater ist 75 Jahre alt geworden. Das heißt, ich bin jetzt schon fünf Jahre älter, als er je geworden ist. Meine Mutter ist 80 geworden und ein bisschen. Aber man hat schon viele Menschen gehen sehen - auch viele, die jünger gewesen sind als 80.

Es ist schön, dass wir heute eine hohe Lebenserwartung haben. Die liegt ja aktuell bei 82 bis 83 Jahren. Die Frauen haben so vier bis fünf Jahre länger als die Männer. Sie sagen uns nicht, wie man das macht. Das kriegen wir aber noch raus, weil wir natürlich genauso lange leben wollen. Das ist doch klar. Die Lebenserwartung wird auch noch weiter steigen. Mit 80 Jahren ist man alt, ganz klar. Aber viele können trotzdem gut leben und werden auch in der Lage sein, für sich selbst zu sorgen und werden das auch tun.

DOMRADIO.DE: Sie gucken als Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisation auch ganz genau darauf, was die "alten" Menschen für eine Lobby haben. Wie groß ist die in Deutschland? Ist die groß genug?

Müntefering: Wir verstehen uns als Interessenvertreter der Älteren. Das heißt, wir versuchen, die Interessen der Älteren bewusst zu machen - auch der Politik gegenüber. Ich glaube auch, dass das zur Demokratie dazugehört, dass man deutlich sagt, was man für wichtig hält. Das heißt aber auch, dass man die anderen Generationen im Blick hat. Wir wissen genau: Gut läuft das Ganze für uns heute und morgen nur, wenn wir an unsere Kinder und Enkelkinder denken.

Die Menschen, die nach uns kommen, müssen Lebenschancen und Bildung haben, müssen wohlstandsfähig sein und in der Lage, das Land so zu entwickeln, dass man darin gut leben kann. Insofern ist es ganz wichtig, zu erkennen und zu sehen, dass die Generationen aufeinander angewiesen sind

DOMRADIO.DE: Verraten Sie uns, wie Sie Ihren runden Geburtstag verbringen werden?

Müntefering: Die Fraktion der Bundestags-SPD hat mich zu einem Empfang eingeladen. Dann treffen wir uns am Abend noch mal privat. Das ist dann auch schon der Tag. Aber in den nächsten Tagen treffe ich mich auch noch mal mit ehemaligen Mitarbeitern. Der Geburtstag zieht sich quasi ein paar Tage hin.

DOMRADIO.DE: Und was wünschen Sie sich am meisten für die kommenden Jahre?

Müntefering: Für mich Gesundheit und dass es mir ähnlich gut geht wie im Augenblick. Ich lebe gerne. Und: Es ist ganz wichtig, dass man weiß, dass man eine Chance hat und dass man sie versucht zu nutzen. Und das nicht nur für sich, sondern mit den Menschen, die einem nahe sind und mit denen man dann zusammenleben und gut leben kann.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR
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