domradio.de: Warum, glauben Sie, kommen gerade jetzt junge Menschen auf die Idee, sich stärker an eine Partei zu binden?
Jung: Ich habe den Eindruck, dass junge Menschen spüren, dass Politik letztlich auch etwas mit ihrer Lebensgestaltung zu tun hat. Und dass Politik immer nur so gut ist wie die Menschen, die sie machen. Das ist mein Eindruck, weshalb sich doch junge Menschen wieder mehr politisch interessieren und auch politisch engagieren, weil es auch um ihre eigene Zukunft geht. Das ist mein Eindruck, weshalb wir auch wieder einen positiven Trend im Hinblick auf die Parteimitgliedschaft haben.
domradio.de: Denken Sie, man könnte sogar sagen, das ist vielleicht auch ein Ausdruck von Sinnsuche, also der Suche nach einer Identifikation im Leben?
Jung: Das ist mein Gespür, auch insbesondere wenn ich im Gespräch mit jungen Menschen in Schulen bin, dass es doch wieder mehr eine Suche nach Werten, nach Grundwerten und nach Sinnorientierung gibt. Von daher glaube ich, hat es auch etwas damit zu tun, denn die Werte unseres Grundgesetzes sind letztlich die Werte, die auf der christlich-jüdischen Tradition beruhen. Ich habe den Eindruck, dass das zusätzlich ein Punkt ist, der motiviert, sich auch wieder parteipolitisch zu interessieren und zu engagieren.
domradio.de: Da verwundert es doch, dass es bei den Kirchen aktuell ganz anders läuft. Die katholische Kirche hatte 2013 ein schweres Jahr. Rund 180.000 Menschen sind aus der Kirche ausgetreten. Als religionspolitischer Sprecher: Was haben die Kirchen falsch gemacht?
Jung: Ich glaube, es gab drei Punkte, die hier eine wesentliche Rolle gespielt haben. Das waren einmal die gesamten Diskussionen um die Missbrauchsfälle. Dann war es die Diskussion um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst und zuletzt jetzt das Thema der Banken, also Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalerträge, also Zins und Dividende. Das hat viele Leute motiviert, aus der Kirche auszutreten. Das waren drei Punkte, die so natürlich jetzt für die Parteien nicht gegolten haben. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Botschaft, die Papst Franziskus verbreitet, doch wieder auch positive Resonanz in der Bevölkerung findet, dass es dort auch wieder um mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit für die Kirchen geht. Ich denke also, dass es dort auch in Zukunft wieder einen anderen Trend gibt.
Das Gespräch führte Verena Tröster.