Frankreichs Präsident Sarkozy auf der Suche nach Unterstützung

Hoffnung auf Audienz?

Nach dem Auftritt in Brüssel jetzt ein Besuch im Vatikan? Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy soll sich laut Zeitungsberichten darum bemühen, möglichst rasch eine Audienz bei Papst Benedikt XVI. zu erhalten. Dabei, so meldete kürzlich die Tageszeitung "La Croix", werde die Kritik der Kirche an der Roma-Politik der Regierung im Mittelpunkt stehen.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

In Rom wollte die französische Vatikanbotschaft keinen Kommentar abgeben, weder zum Termin eines bevorstehenden Besuchs, erst recht aber nicht zu Inhalten. Französische Medien wie "Le Figaro" mutmaßten, der Papst wolle Sarkozy treffen, weil sich das Kirchenoberhaupt nach seinen Äußerungen vom Sommer missverstanden fühle. Benedikt XVI. hatte Ende August die Franzosen gemahnt, Menschen in ihrer "legitimen Unterschiedlichkeit" anzunehmen. Dies war dort als Kritik an Frankreichs Umgang mit den Roma verstanden worden. Der Papst hatte die Maßnahmen indes nicht ausdrücklich erwähnt.



In diplomatischen Kreisen in Rom wird die "Figaro"-Version aber als "absolut unüblich" in Zweifel gezogen: Grundsätzlich bittet der Gast um die Audienz beim Kirchenoberhaupt. Dass etwa über die päpstliche Nuntiatur indirekt zu einer solchen Anfrage aufgefordert werde, bezeichnete ein diplomatischer Mitarbeiter beim Heiligen Stuhl als "völlig utopisch". Plausibler erscheint daher, dass es Sarkozy darum geht, die scharfe Kritik der französischen Kirche dadurch zu relativieren, dass er einträchtig mit Benedikt XVI. in der Öffentlichkeit erscheint.



Denn in Frankreich ist angesichts der Räumungen von illegalen Roma-Lagern und der Abschiebung von Hunderten Roma das Verhältnis von Kirche und Regierung gespannt. Schon lange vor dem Vergleich von EU-Kommissions-Vizepräsidentin Viviane Reding ("Ich hatte geglaubt, Europa müsse so eine Lage nach dem Zweiten Weltkrieg nicht noch einmal erleben") hatte ein französischer Kirchenmann die gleiche Parallele gezogen.

Erzbischof Robert Le Gall von Toulouse verlas Ende August ein Hirtenschreiben seines Amtsvorgängers Jules-Geraud Saliege von 1942, in dem dieser zum Schutz der Juden aufrief. "Die Roma sind unsere Brüder wie viele andere auch", fügte er hinzu. Angesichts der Entrüstung etwa von Premierminister Francois Fillon nahm Le Gall - wie in dieser Woche die EU-Kommissarin - die Wortwahl zwar zurück.



Es sei ihm nicht darum gegangen, das nicht vergleichbare Schicksal von Roma und Juden in einen Zusammenhang zu bringen. In der Sache blieb der Erzbischof - ebenfalls wie jetzt die EU-Kommission - aber deutlich: Das Schreiben seines Amtsvorgängers habe er zitiert, um Christen und Menschen guten Willens dazu aufzurufen, die gleiche Haltung von Gastfreundschaft, Respekt und Brüderlichkeit an den Tag zu legen, wie sie sein Vorgänger von den Katholiken gegenüber den Juden gefordert habe.



Der französische Bischofskonferenz-Vorsitzende, Kardinal Andre Vingt-Trois, traf mittlerweile mit Innenminister Brice Hortefeux und mit Sarkozy zusammen. Bemühungen um Schadensbegrenzung auf beiden Seiten. Doch die kirchliche Kritik am Vorgehen gegen die Roma hält an. Kaum ein Tag vergeht, an dem sich nicht ein Kirchenmann öffentlich gegen die Roma-Politik der Regierung ausspricht. Zuletzt veröffentlichte Erzbischof Georges Pontier von Marseille ein gemeinsam mit den protestantischen und orthodoxen Oberhirten der Region verfasstes Schreiben, in dem davor gewarnt wird, die Roma zu Sündenböcken zu machen. Sie würden stigmatisiert, Opfer von Gewalt und Rassismus, heißt es da.



Beim EU-Gipfel am Donnerstag versuchte Sarkozy, andere Staats- und Regierungschefs als Unterstützer seiner Position zu präsentieren.

Auch in Deutschland würden bald Roma-Lager geräumt, habe ihm Angela Merkel berichtet, sagte der Präsident etwa vor der Presse.



Regierungssprecher Steffen Seibert und Bundesaußenminister Guido Westerwelle dementierten umgehend. Es müsse sich um ein "Missverständnis" handeln, kommentierte Westerwelle am Freitag. Kommt ein baldiger Besuch Sarkozys beim Papst zustande, wird es ein heikles Treffen. Der Vatikan wird sich bemühen müssen, "Missverständnissen" keinen Raum zu schaffen.