Israel nach der Wahl

"Fortsetzung der Besatzungspolitik"

Trotz Problemen mit der Justiz geht Netanjahu erneut als Sieger aus der Parlamentswahl in Israel hervor. Seine rechten und religiösen Koalitionspartner wollen ihm zu einer fünften Amtszeit verhelfen. Was bedeutet das für Israelis und Palästinenser?

Sieg für Netanjahu-Lager bei Wahl in Israel / © Oliver Weiken (dpa)
Sieg für Netanjahu-Lager bei Wahl in Israel / © Oliver Weiken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie den Wahlausgang?

Dr. Alexander Brakel (Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel): Das heißt für Israel erst mal, dass sich nichts ändert. Der Likud hat mit drei Ausnahmen sämtliche Wahlen seit 1977 gewonnen und wir haben seit dem Ende der zweiten Intifada eine solide Mehrheit im Lande für die Rechtsparteien. Etwa 55 Prozent aller Wahlberechtigten bezeichnen sich selbst in Umfragen als "rechts". Dementsprechend ist es keine große Überraschung, dass sich das auch in den Wahlergebnissen niederschlägt und Netanjahu wieder eine Rechtskoalition bilden wird. Diese Rechtskoalition wird Israel weiter wegschieben von liberalen Werten, so wie es in der letzten Legislaturperiode schon erfolgt ist. Es wird keine Neuaufnahme des Friedensprozesses geben. Das heißt, die weitere Bewegung hin nach rechts wird sich fortsetzen, aber es ist ein langsamer Prozess.

DOMRADIO.DE Wie reagiert die Opposition um seinen Widersacher Benny Gantz darauf?

Brakel: Die Opposition ist enttäuscht, aber die Opposition ist natürlich auch strukturell tief erschüttert. Bennie Gantz war ein Herausforderer, der aus dem politischen Nichts kam, ein ehemaliger Generalstabschef, der sich erst Anfang des Jahres in die politische Arena gewagt hat und nur deshalb so viel Zuspruch gefunden hat, weil die traditionellen Parteien links der Mitte, die Arbeiterpartei und Meretz, einen Schatten ihres früheren Selbst sind. Wir haben einen großen strukturellen Nachteil der politischen Linken. Während der Likud weiterhin die bestimmende und gut organisierte parteipolitische Kraft rechts der Mitte ist, tut sich links der Mitte ein weitgehendes Vakuum auf.

DOMRADIO.DE Nun hat Netanjahu ja gesagt, die neue Regierung werde eine rechte Regierung sein, er wolle aber auch der Premierminister aller Bürger sein. Wie soll das denn gehen?

Brakel: Prinzipiell geht das natürlich schon, das sollte der Anspruch jedes demokratisch gewählten Regierungschefs sein, dass er auch diejenigen Bürger vertritt, die ihn nicht gewählt haben, und gleichzeitig natürlich seine politische Agenda durchsetzt. Im Falle von Netanjahu ist das deshalb schwierig zu glauben, weil er schon vor und auch während des Wahlkampfs sehr stark polarisierend aufgetreten ist. Jetzt im Wahlkampf hat er sich namentlich ganz stark abgesetzt von den israelischen Arabern. Die Israelis arabischer Herkunft bilden ungefähr 20 Prozent der Bevölkerung. Er hat ausdrücklich erklärt, Israel sei nicht der Staat aller seiner Staatsbürger, sondern nur der jüdischen Israelis. Wie ihn jetzt nach der Wahl nach dieser hasserfüllten Rhetorik der Brückenschlag gelingen soll, das weiß ich nicht wirklich.

DOMRADIO.DE Netanjahu hat viel internationale Unterstützung bekommen und damit auch im Wahlkampf gespielt. Besonders US-Präsident Trump war da beteiligt. Hat das den Erfolg gebracht?

Brakel: Es ist noch zu früh, das jetzt in einzelnen Prozentpunkten festmachen zu wollen. Sicherlich kann man sagen, dass Netanjahu in den letzten zehn Jahren in der Sicht der israelischen Weltbevölkerung ein durchaus erfolgreicher Ministerpräsident war. Und dazu gehört auch sein gutes Standing auf internationaler Bühne. Trump genießt in Israel anders als in Deutschland den Zuspruch der weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung. Zum Schaden Netanjahus war es bestimmt nicht, dass er sich sogar auf Wahlplakaten mit Trump abgebildet hat.

DOMRADIO.DE Der Friedensprozess wird also wohl erst einmal nicht wieder aufgenommen. Was bedeutet das für die Israelis und Palästinenser?

Brakel: Israel setzt seine Besatzungspolitik fort. Wir gehen nun bald in das 53. Jahr dieser Besatzung. Für die Israelis funktioniert das zurzeit relativ gut, das heißt, die Sicherheitslage ist unter Kontrolle und sie bekommen von der Besatzung direkt auch nicht so viel mit, weil die meisten Israelis nicht im Westjordanland sind und sich dort noch nicht aufhalten. Für die Palästinenser ist die Lage schlecht und es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig diese aktuelle Interimslösung ist.

DOMRADIO.DE Und dazwischen befindet sich die kleine Schar der Christen im Land. Das sind vorwiegend Palästinenser. Für die wird sich also auch nichts ändern?

Brakel: Für die Palästinenser wird sich zurzeit wenig ändern. Wir erleben eine schleichende Annexion der Westbank. Die Schaffung eines palästinensischen Staates, die von Deutschland präferierte Zwei-Staaten-Lösung wird immer unwahrscheinlicher. Mit dieser neuen Realität müssen sich sowohl die Palästinenser als auch Europa und die Bundesrepublik auseinandersetzen.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR