Gedenken zum fünften Jahrestag des Genozids an Jesiden

Forderung nach weltweiter Anerkennung

Im Jahr 2014 begann die Terrororganisatoin "Islamischer Staat" die systematische Verfolgung der Jesiden. Bei Gedenkveranstaltungen beklagen Vertreter der Minderheit mangelnde Anerkennung und Unterstützung. 

Jesiden demonstrieren für Jesiden (dpa)
Jesiden demonstrieren für Jesiden / ( dpa )

Zum fünften Jahrestag des Genozids an der religiösen Minderheit der Jesiden hat es auch in Deutschland Gedenkveranstaltungen gegeben.

In Stuttgart betonte am Samstag der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Irfan Ortac:"Am 3. August 2019 gedenken wir eines fortlaufenden Genozids." Der Dachverband des Ezidischen Frauenrats hatte zu Schweigeminuten und Kundgebungen aufgerufen.

Verbandsvertreter forderten eine weltweite Anerkennung des Genozids und den 3. August als einen internationalen Gedenktag. Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) hatte 2014 begonnen, Jesiden systematisch zu verfolgen und zu töten.

Ortac: Rückkehr in die Heimat ermöglichen 

Der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden plädierte weiterhin für den Aufbau der Heimat der Jesiden im Nordirak:  "Wer den Jesiden helfen möchte, muss ihre Heimat wiederaufbauen", sagte er bei der Gedenkfeier am Samstag in Stuttgart. Trotz massiver wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hätten es weder die irakische noch die kurdische Regierung geschafft, dass die Jesiden in ihre Heimat in den Nordirak zurückkehren können, kritisierte er.

Deshalb sei es notwendig, dass eine internationale Konferenz mit der Beteiligung der Mitglieder des Weltsicherheitsrates stattfinde. "Es gibt nur einen Weg, den fortlaufenden Genozid zu verhindern", sagte Ortac. Dies sei der Wiederaufbau der Heimat Shingal, die Rückkehr der Flüchtlinge aus den Lagern und die Teilnahme der Jesiden am politischen Leben im Irak sowie die Versöhnung zwischen Völkern und Religionen in der Region.

Forderungen nach einem zweiten Sonderkontingent

In Baden-Württemberg sprach Staatsministerin Theresa Schopper (Grüne) von einem "Tag der Trauer, aber auch einem Tag des Überlebens und der Verantwortung". Es müsse alles dafür getan werden, dass ein solcher Genozid nie wieder passiere. Sie erinnerte daran, dass Baden-Württemberg im Rahmen eines Sonderkontingents mehr als 1.000 traumatisierte Frauen und Kinder aus dem Nordirak aufgenommen hatte, die meisten von ihnen Jesidinnen. Sie werden medizinisch und psychotherapeutisch betreut.

Die Frauen aus dem Sonderkontingent seien heute auch wichtige Zeuginnen in Strafverfahren der Generalbundesanwaltschaft, betonte Schopper. Die Landesregierung habe beim Bund angeregt, nach dem Vorbild Baden-Württembergs weitere Menschen aufzunehmen.

Der Psychologe Jan Kizilhan sieht auch die Regierung in Deutschland in der Pflicht, wenn es um das Schicksal der Kinder von vergewaltigten Jesidinnen aus dem Irak geht. Die Bundesregierung solle Druck auf Vertreter der Jesiden ausüben, denn immerhin lebten rund 200.000 Jesiden in Deutschland, sagte Kizilhan im Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Sollten die Frauen mit ihren Kindern keine Möglichkeit zum Überleben im Irak haben, plädiere er für ein zweites Sonderkontingent auf Bundesebene.

Verschleppte und vergewaltigte Frauen, die in den Irak zurückgekehrt seien, hätten ihre Kinder wegen des Drucks der Familien in Syrien zurücklassen müssen. Die Mädchen und Jungen würden zur Adoption freigegeben. "Die Frauen vermissen sie und sind psychisch am Ende." Die Mütter seien schwer traumatisiert.

Der Hohe Jesidische Geistliche Rat habe verkündet, dass er nicht bereit sei, nach solchen Vergewaltigungen geborene Kinder zu akzeptieren. Die Kinder müssten nicht als Jesiden gesehen werden, aber ihnen und ihren Müttern solle die Möglichkeit gegeben werden, zusammen zu leben, betonte Kizilhan.

Jesidischer Glaube vereint Elemente verschiedener Religionen

Die monotheistische Gemeinschaft der Jesiden hat weltweit mehrere hunderttausend Mitglieder. Sie lebten vor allem im nördlichen Irak; ein großer Teil floh vor dem IS. Jesiden leben auch in Nordsyrien, im Nordwesten des Iran und im Südosten der Türkei. Ihr Glauben vereint Elemente aus dem Islam, aber auch aus dem Christentum und anderen Religionen. Erstmals erwähnt werden Jesiden im zwölften Jahrhundert.

Die Jesidin Nadia Murad erhielt im Vorjahr den Friedensnobelpreis. Sie war vom IS versklavt worden.


Quelle:
KNA