Folgen der Krise für die Ärmsten lindern

Druck auf Weltwirtschaftsgipfel

Vor dem Weltwirtschaftsgipfel in Kanada hat das UN-Kinderhilfswerk an Industrie- und Schwellenländer appelliert, die Folgen der Wirtschaftskrise für den ärmsten Teil der Weltbevölkerung zu lindern. Angesichts milliardenschwerer Rettungspakete für Banken und Unternehmen sei ein "Aufschwung mit menschlichem Gesicht" nötig.

 (DR)

Der Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Jürgen Heraeus, sagte am Donnerstag in Berlin bei der Vorlage des Jahresberichts, mit dem Gipfel der G-8- und der G-20-Staaten ab diesen Freitag in Kanada sowie mit dem UN-Millenniumsgipfel im September komme dem Jahr 2010 in der weltweiten Bekämpfung der zweiten Phase der Wirtschaftskrise eine entscheidende Bedeutung zu, sagte der Leiter der Politik-Abteilung der New Yorker UNICEF-Zentrale, Gaspar Fajth. «Wir sehen die Gefahr, dass ausgerechnet jetzt auf Kosten der Armen gespart wird», ergänzte der neue Geschäftsführer der Hilfsorganisation, Christian Schneider.

Aktuellen Prognosen der Weltbank zufolge werde die Zahl der Menschen in extremer Armut in diesem Jahr um 64 Millionen ansteigen, davon lebten 70 Prozent in sogenannten Schwellenländern. In Südasien könne ein Drittel der Menschen ihren täglichen Mindestbedarf an Kalorien nicht decken, fast jedes zweite Kind sei untergewichtig.

Auch international wachse die Schere zwischen Arm und Reich, so UNICEF weiter. Die etwa im Kampf gegen die Kindersterblichkeit oder beim Zugang zu Grundbildung und sauberem Wasser erreichten Fortschritte könnten sehr schnell wieder verspielt werden, warnte Schneider. Der seit 1998 bei UNICEF tätige Entwicklungsexperte war am Vortag vom Vorstand des deutschen Komitees zum Nachfolger von Regine Stachelhaus bestimmt worden.

Laut Jahresbericht der Hilfsorganisation hat es in den vergangenen drei Jahren weltweit nur noch vergleichsweise geringe Fortschritte etwa beim Kampf gegen die Kindersterblichkeit gegeben. So falle ihre Quote in West- und Zentralafrika nach wie vor fast 30 Mal höher aus als in den Industriestaaten.

Den von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) angestoßenen Umbau der Entwicklungspolitik lobte UNICEF-Vorsitzender Heraeus als «völlig richtig». Sowohl die Fusion der staatlichen Entwicklungsorganisationen als auch inhaltliche Akzentverschiebungen etwa in der stärkeren Kontrolle direkter Budgethilfe für Entwicklungsländer seien überfällig gewesen. Es sei bislang wenig überzeugend gewesen, «wenn dort deutsche Steuergelder von französischen Konzernen verbaut werden», so der Hanauer Edelmetall- und Technologieunternehmer.

Mit 70,6 Millionen Euro verzeichnete UNICEF Deutschland im vergangenen Jahr einen leichten Spendenrückgang in Höhe von knapp drei Prozent. Geschäftsführer Schneider führte dies unter anderem auf die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zurück, die sich in den Bilanzen anderer Hilfsorganisationen ebenfalls niederschlage. UNICEF Deutschland hoffe, im Laufe des Jahres wieder das DZI-Spendensiegel zurückzuerhalten. Das Deutsche Institut für soziale Fragen (DZI) in Berlin hatte der Hilfsorganisation das Spendensiegel vor zwei Jahren wegen mangelnder finanzieller Transparenz entzogen.