Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt bringt Einigung

Mehr Hilfe des Bundes - aber auch mehr Härte

Der Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt richtet die deutsche Asylpolitik neu aus: Der Bund nimmt Ländern und Kommunen Milliarden-Lasten ab. Die Kehrseite: Mehr Härte gegen Menschen, die kaum Chance auf Asyl haben.

Bund und Länder einigen sich auf Kostenverteilung / © Federico Gambarini (dpa)
Bund und Länder einigen sich auf Kostenverteilung / © Federico Gambarini ( dpa )

Milliardenhilfen für Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisenregionen, ein Stopp-Signal für Menschen ohne Aussicht auf Asyl in Deutschland: Diese doppelte Botschaft geht vom Bund-Länder-Gipfel am Donnerstagabend im Kanzleramt aus. Zur Bewältigung des Andrangs Hunderttausender unterstützt die Bundesregierung Länder und Kommunen auf Dauer mit zusätzlichen Milliarden Euro. Zugleich verständigten sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer auf Verschärfungen im Asylrecht.

Der Bund will in Zukunft eine monatliche Kostenpauschale von 670 Euro pro Flüchtling übernehmen. Auch für jugendliche Flüchtlinge und den sozialen Wohnungsbau plant der Bund höhere Ausgaben. Zugleich wurde vereinbart, die Liste sicherer Herkunftsländer zu erweitern. Mit der Zahlung von Pauschalen steigt der Bund wie versprochen dynamisch in die Kostenteilung ein. Auch seine Ausgaben steigen mit wachsender Flüchtlingszahl. Merkel sprach von einem "atmenden System".

Merkel: "Bund geht zwei Risiken ein"

Der schriftlich festgehaltenden Einigung zufolge will der Bund die Kosten so lange übernehmen, bis das Asylverfahren für einen Flüchtling abgeschlossen ist. Die Kanzlerin sagte, der Bund gehe damit zwei Risiken ein, weil die Gesamtsumme je nach Flüchtlingszahl und Dauer der Verfahren variiert.

Für 2016 will der Bund auf Grundlage der aktuell geltenden Prognose über 800.000 Flüchtlinge und einer angenommenen durchschnittlichen Verfahrensdauer von fünf Monaten 2,86 Milliarden Euro im Voraus an die Länder zahlen. Am Jahresende wird die Unterstützung dann an die tatsächlichen Kosten angeglichen und auf dieser Grundlage die folgende Abschlagszahlung berechnet.

Hilfen für junge Flüchtlinge und sozialen Wohnungsbau

Zusätzliche finanzielle Hilfen in Höhe von 350 Millionen Euro im Jahr stellte Merkel unter anderem für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Aussicht. Der Einigung zufolge sollen zudem die Mittel für den sozialen Wohnungsbau von 2016 bis 2019 um jeweils 500 Millionen Euro erhöht werden.

Der Bund rechnet damit insgesamt mit Ausgaben in Höhe von über vier Milliarden Euro, die an die Länder gehen. Eingerechnet sind dabei noch nicht die eigenen Ausgaben im Bundeshaushalt beispielsweise für Sozialleistungen und Arbeitsmarktprogramme. Dafür hatte die Koalition weitere drei Milliarden Euro angesetzt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Abend in der ARD, er wolle dennoch am Ziel einer schwarzen Null im Haushalt festhalten: "Wenn möglich wollen wir es ohne neue Schulden schaffen."

Länder überwiegend zufrieden

Die Ländervertreter äußerten sich zufrieden mit dem Ergebnis. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, es sei ein deutliches Zeichen, dass der Bund dynamisch in die Finanzierung einsteigt. Die Einigung werde "dieser großen Herausforderung gerecht", sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sprach von einem "ganz hervorragenden Ergebnis". Nun hätten die Bundesländer Planungssicherheit für ihre Haushalte. Für das laufende Jahr stellt der Bund seinen Worten zufolge zudem eine weitere Milliarde Euro zur Verfügung.

Kommunen: "Nicht präzise genug"

Aus den Kommunen kam Kritik an den Beschlüssen. "Insbesondere für Asylbewerber und Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten muss vermieden werden, dass sie vor Beendigung des Asylverfahrens auf die Kommunen verteilt werden", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Freitagausgabe). Das habe der Gipfel aber nicht präzise genug geregelt.

Zudem würden die Kommunen auch künftig nicht direkt vom Bund finanziell entlastet. "Jetzt ist völlig unklar, ob und wie das Geld über die Länder an die Kommunen gelangen soll», sagte Henneke."Es bestehe die Gefahr, dass die Länder die Kommunen nicht angemessen beteiligen.

Sichere Herkunftstaaten: Liste soll erweitert werden

Bundesregierung und Ministerpräsidenten einigten sich darüber hinaus auf verschiedene Maßnahmen zur Beschleunigung von Asylverfahren. Albanien, Kosovo und Montenegro sollen zur Liste der sicheren Herkunftsländer hinzugefügt werden, was verkürzte Asylverfahren bei Antragsstellern aus diesen Staaten ermöglicht. Die Zustimmung des Bundesrates zur Erweiterung der Staaten-Liste ist jedoch wegen Widerstandes aus den Reihen der Grünen ungewiss.

Zwar habe Baden-Württtembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) seine Unterstützung signalisiert und wolle in seiner Partei für Zustimmung werben, sagte Merkel. Letzlich sei das Abstimmungsverhalten der Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen indes noch unklar. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl übte scharfe Kritik an den Plänen. Die Einstufung eines Staates wie dem Kosovo als sicher, in dem im Rahmen des KFOR-Einsatzes internationale Soldaten zur Friedenssicherung eingesetzt sind, sei absurd, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt.

Verschärftes Asylrecht

In dem abgestimmten Gesetzespaket enthalten sind auch die geplanten Einschnitte bei den Sozialleistungen für bestimmte Gruppen abgelehnter Asylbewerber, die zur Ausreise aufgefordert werden. In Erstaufnahmeeinrichtungen soll es künftig zudem vorrangig Sachleistungen geben.

Bund und Länder vereinbarten zudem, dass die Einführung einer Gesundheitskarte den Ländern überlassen bleiben soll. Der Bund ermöglicht den Ländern, Krankenkassen notfalls dazu zu verpflichten, gegen Kostenerstattungen die Krankenbehandlung von Asylbewerbern zu übernehmen. Die Leistungen sollen sich im bisherigen Rahmen bewegen, heißt es im Einigungspapier. Asylbewerber haben in Deutschland nur Anspruch auf Behandlung akuter Krankheiten oder Schmerzen.


Quelle:
dpa , epd