Flüchtlinge schnitzen Kunstwerke in Bonn

Mahnmal gegen das Vergessen

Aus einem Akazienstamm schnit­zen sie ein Boot – als Symbol der Hoffnung für eine Zukunft in Frieden und gegen das Vergessen: Fünf syrische Männer verwandeln in Bonn die Erfahrungen ihrer Flucht derzeit in ein Kunstprojekt.

Autor/in:
Pia Steckelbach
Omar Howeishan (43) aus Damaskus ist seit 25 Jahren Schreiner und war für das Boot verantwortlich (Erzbistum Köln)
Omar Howeishan (43) aus Damaskus ist seit 25 Jahren Schreiner und war für das Boot verantwortlich / ( Erzbistum Köln )

"Wir wollen der ganzen Welt den Weg und die Gefahr der Flucht zeigen!" Omar ist eigentlich Schreiner aber sein Unternehmen in Damaskus hat der Krieg zerstört. Hier in Deutschland will er nicht nur Flüchtling sein - er will anpacken und seine Fluchterfahrungen teilen. In der Bonner St. Thomas Morus Gemeinde kann er beides: sein Handwerkszeug einbringen und sich mit seinen Erlebnissen auseinandersetzen. Hier gestaltet nämlich gerade eine Gruppe von Flüchtlingen gemeinsam mit der Aachener Bildhauerin Brele Scholz einen alten Akazienstamm zu einem Kunstwerk um. Ein Boot sowie eine Gruppe von Passagieren sollen aus dem Totholz entstehen. Initiiert hat das Projekt Diakon Ralf Knoblauch, sein Anliegen: "Wir sitzen alle in einem Boot!"

Geschichten einer Flucht

Vier bis sieben Flüchtlinge arbeiten bereits seit Montag an der Installation. Fast alle kommen aus Syrien, hatten sich dort gesicherte Existenzen aufgebaut. Die Flucht über das Mittelmeer hat sie geprägt: "Wären wir in Italien nicht gerettet worden, wären wir jetzt alle tot", Englischlehrer Nidal wird nachdenklich wenn er von seiner Überfahrt erzählt. Er ist vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen, die Sprache hat er bereits gelernt. Er und die anderen Projektteilnehmer wollen ihre Emotionen in der Mimik der Holzfiguren ausdrücken, die sie gerade schnitzen. Auch den ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan an der Küste der Türkei, dessen Foto vor einigen Monaten um die Welt ging, wollen sie darstellen. Der Tod sei allgegenwärtig auf der Flucht.

Diakon Knoblauch ist von dem Engagement der Flüchtlinge begeistert: "Ich empfinde die Teilnehmer als sehr inspirierend, sie identifizieren sich in einem ganz hohem Maße mit dem, was hier geschieht." Nachdem die Akazie vor dem Pfarrhaus in der Bonner Gemeinde gefällt werden sollte, hatte er die Idee, den Baumstamm zur Kunst zu machen. Heute heißt das Projekt "Boot und Mensch" und ist Teil der Männerseelsorge der Pfarrei St. Thomas Morus, gefördert von der Flüchtlingshilfe im Erzbistum Köln 'Aktion Neue Nachbarn' und dem katholischen Bildungswerk Bonn.

Schicksal der Flüchtlinge als Mahnmal

Bildhauerin Brele Scholz steht den Teilnehmern mit Ratschlägen und Fachwissen zur Verfügung, oft übersetz Nidal dabei seinen Landsleuten die Anordnungen. Scholz sieht  in der Kunst einen Weg, Erlebtes zu verarbeiten: "Es bewegt sie sehr dass sie etwas machen, was über sie spricht. Ihre Geschichte zeigt das Boot, die gefährliche Überfahrt und die Hoffnung, dass sie hier ankommen und eine neue Heimat finden."

Nidal jedenfalls möchte in Deutschland bleiben. Bald will er soziale Arbeit an der katholischen Hochschule studieren. Er blickt positiv in eine neue Zukunft: "Es tut manchmal weh, aber das Leben geht weiter". Einen Teil seiner Vergangenheit jedenfalls hat er in Holz gemeißelt in der Bonner St.Thomas Morus Gemeinde verewigt.

In der nächsten Woche arbeiten die Flüchtlinge noch einmal von Montag bis Freitag an der Fertigstellung des Projekts. Interessierter Besuch ist dabei herzlich willkommen! Die fertige Installation wird danach erst einmal in anderen Gemeinden und Museen ausgestellt werden, bevor sie als Mahnmal nach St. Thomas Morus zurückkehren soll.


Gruppenfoto mit Initiator Ralf Knoblauch (1.v.l.)  (DR)
Gruppenfoto mit Initiator Ralf Knoblauch (1.v.l.) / ( DR )
Quelle:
DR