Finanzexperte: Kirchliches Vermögen gibt Sicherheit

"Das hat mit dem Anbeten des Mammons nichts zu tun"

Die Kirche sollte Rücklagen bilden dürfen, unterstreicht Finanzexperte Winfried Hinzen. Es gehe nicht um die Anhäufung von Geld, sondern "dass Kirche auch im nächsten Jahrhundert noch dafür steht, wofür wir heute stehen".

Kölner Dom (dpa)
Kölner Dom / ( dpa )

domradio.de: Kirchen haben Grundstücke, Immobilien und investieren in Finanzgeschäfte. Haben die Kirchen zu viel Geld?

Winfried Hinzen (Finanzberater und Ex-Vorstand der Pax Bank): Nein, die Kirchen haben sicherlich nicht zu viel Geld, weil das kirchliche Vermögen weitaus größer aussieht als es tatsächlich ist. Die Kirche hat viele Verpflichtungen, solche rechtlicher Art gegenüber ihren Mitarbeitern, gegenüber dem Klerus, gegenüber den Benutzern all unserer kirchlichen Einrichtungen. Schulen und Kindergärten haben alle einen Zuschussbedarf, wo sichergestellt sein muss, dass nicht je nach Kassenlage mal das Irmgardisgymnasium oder die Ursulinenschule aufmacht oder nicht aufmacht. Eltern möchten da eine Verlässlichkeit haben.

Darüber hinaus hat die Kirche sehr wohl auch eine mehr als moralische Verpflichtung für unglaublich viele Kulturgüter. Wenn sie überlegen, was der Unterhalt des Kölner Domes jährlich an Geld verschlingt, dann ist ganz klar, das kann sich nur jemand leisten, der auch über gewisse Rücklagen verfügt.

domradio.de: Die Geschichte vom Besitz von Gemeinden und Kirchen reicht oft mehrere Jahrhunderte zurück. Haben die Kirchen und Gemeinden eigentlich immer einen genauen Überblick über ihre eigenen Finanzen?

Hinzen: Ich glaube, das ist in der Praxis sehr viel schwieriger als man sich das vorstellt. Anders als bei Finanzanlagen, wo ich jährlich von der Bank einen Depotauszug bekomme, auf dem ich nachlesen kann, was mein Vermögen wirklich wert ist, sagt Ihnen das bei Immobilien schon auf Anhieb niemand so richtig. Ein zweites Problem kommt dazu: Die Kirche hat ganz viel ihres Besitzes geschenkt bekommen, aber geschenkt unter Auflagen. Ich glaube, die Übersicht darüber, was die Kirche dafür leisten muss, um diesen Besitz zu Recht zu haben, ist nicht immer überall uneingeschränkt vorhanden.

Die Frage ist ja nicht, ob heute die Finanz- und Wirtschaftslage ausgeglichen ist, sondern: Reicht das Vermögen aus, dass ich meine Lasten auch morgen noch sicher und zuverlässig tragen kann? Diese Übersicht ist, glaube ich, nicht überall vorhanden.

domradio.de: Wieso engagieren sich die Kirchen überhaupt in Finanzgeschäften? Gemeinden oder Orden sind doch keine Wirtschaftsunternehmen, die Gewinn abwerfen müssen.

Hinzen: Die Kirche ist ganz viele langfristige Verpflichtungen eingegangen, und das passt zu ihrer Natur, die Kirche ist mit ihren 2000 Jahren schließlich "das älteste Unternehmen der Welt". Dementsprechend verhält die Kirche sich sicherlich auch kaufmännisch klug, wenn sie nicht nur Rechtsgeschäfte von heute auf morgen eingeht, sondern auch Verträge mit 30, 50, 100 Jahren und noch viel mehr Laufzeit.

Dafür brauchen sie Reserven, und die Reserven müssen eben auf dem Konto einer Bank angelegt sein. So einfach ist das.

domradio.de: Ein besonderes Thema sind dabei auch die Banken: Was genau ist der Unterschied einer kirchlichen Bank, wie z.B. der Pax Bank in Köln, zu einer gewöhnlichen Bank?

Hinzen: Das zentrale Element ist: Die kirchlichen Banken gehören mit zur "Familie". Wir haben schon ein bisschen das Phänomen, Kirche verfügt erst einmal brutto, nämlich wenn man die Lasten nicht mitrechnet, über durchaus beträchtliches Vermögen und dieses Vermögen will professionell gemanagt, verwaltet, angelegt sein.

Längst nicht jede große kirchliche Körperschaft - groß im Sinne von Geldeinheiten - verfügt über entsprechende Experten. Stellen Sie sich einen großen Schulkomplex vor, da brauchen Sie vor allem tolle Pädagogen, aber Sie brauchen nicht in erster Linie einen hervorragenden Kaufmann. Wenn Sie an die Caritas denken, liegt der Fokus auf Sozialarbeitern oder in der Kirche eben in der Pastoral. Also brauchen Sie jemanden, der ihr Geld so für Sie verwaltet als ob es sein eigenes wäre. Das ist der große Unterschied zwischen den eigenen kirchlichen Banken und den fremden. Keine dieser kirchlichen Banken - wir haben fünf in Deutschland - würde anders als für sich selbst mit dem Geld umgehen. Keine dieser kirchlichen Banken legt dementsprechend den Fokus wie eine weltliche Bank auf vertriebliche Gesichtspunkte.

domradio.de: Warum nimmt die Öffentlichkeit denn Anstoß an dem Thema Finanzen und Kirche? Warum ist da so eine moralische Problematik da?

Hinzen: Die Frage geht ganz weit zurück, nämlich bis auf Jesus Christus selber. Wenn sie ins Matthäus-Evangelium schauen, in die Bergpredigt, dann steht da der schöne Satz drin: Niemand kann zwei Herren dienen, Gott oder dem Mammon, beides gleichzeitig geht nicht. Und auf einmal sitzt die Kirche auf solchen Mengen dieses schnöden Mammons - kann das richtig sein? Ist eine arme Kirche nicht das bessere Ideal?

Papst Franziskus spricht von einer armen Kirche. Vielleicht ist damit gemeint, dass wir alles abgeben? Ich bin durchaus der Meinung, Kirche braucht nicht über freies Vermögen in scheinbar unfassbar großer Höhe zu verfügen. Aber Kirche soll oder muss in der Lage sein, auch sehr langfristige Verpflichtungen einzugehen, uns allen die Sicherheit zu geben, dass Kirche auch im nächsten Jahrhundert noch dafür steht, wofür wir heute stehen. Dafür braucht es entsprechende finanzielle Rücklagen. Das hat mit dem Anbeten des Mammons aber reinweg gar nichts zu tun.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR