Film über syrischen Flüchtling im ZDF

Wer ein Menschenleben rettet...

In den Diskussionen über den Umgang mit Flüchtlingen geht oft unter, wie diese an jenen Orten leben, an denen sie warten, nach Europa zu gelangen. "Die Flucht" führt an solch einen Brennpunkt.

Amnesty: Menschenrechte werden oft nicht gewahrt / © Wong Maye-E/AP (dpa)
Amnesty: Menschenrechte werden oft nicht gewahrt / © Wong Maye-E/AP ( dpa )

Patrouillen an den Straßen, Durchsuchungen von abgelegenen Häusern und Schuppen, Schüsse in der Nacht – längst haben sich die Bewohner des kleinen türkischen Örtchens an die Veränderungen gewöhnt, die ihren Alltag belasten. Sie wohnen im Schatten der Europäischen Union, nur wenige Kilometer von der Grenze nach Bulgarien entfernt.

Diese EU-Außengrenze wurde mit Millionen Euro in den vergangenen Jahren mit Mauern befestigt, um die Flüchtenden aus aller Welt von ihrem ersehnten Ziel Europa fernzuhalten.

Zwei Stars des internationalen Autorenkinos

Schleuser versprechen den verzweifelten Menschen, die schon Monate oder Jahre auf der Flucht sind, für Tausende Euro den ersehnten Schritt über die Grenze. Eine kleine Gruppe hat sich ihnen anvertraut, um bei strömenden Regen in der Nacht die Grenze heimlich zu überqueren.

Doch bald tauchen türkische Grenzer auf. Die Schleuser machen sich aus dem Staub und überlassen "ihre Kunden" ihrem Schicksal. So beginnt das Drama "Die Flucht", für das der türkisch-kurdische Filmemacher Kenan Kavut auch das Drehbuch schrieb. Er gibt mit dem Film sein Regiedebüt. Das ZDF strahlt es im Rahmen des Programms "Das kleine Fernsehspiel" am 16. Juli um 0.10 Uhr aus.

Für die Hauptrollen gewann der junge Regisseur zwei Stars des internationalen Autorenkinos. Der israelisch-palästinensische Schauspieler Ali Suliman schaffte mit den Hauptrollen in "Die syrische Braut" und "Paradise Now" den internationalen Durchbruch. Die deutsch-türkische Hauptdarstellerin Jale Arikan lebt in Deutschland, wo sie vor allem Nebenrollen in Krimis spielte, und in der Türkei.

Syrer trifft auf hilfsbereite Türkin

Ali Suliman spielt in dem bewegenden Drama den Syrer Cabir, der nach der Razzia vor den Grenzpolizisten fliehen kann. Er versteckt sich im Wald und beobachtet Bewohner des Dorfes beim Angeln und Fröschefangen. Beim Versuch, Essen zu stehlen, wird er erwischt. Als ihn der Jäger bedroht, wehrt er sich.

Für die Nacht sucht er Unterschlupf in einer Scheune, wo ihn die Türkin Alye entdeckt. Cabir ist hungrig und durchgefroren; Alye versorgt ihn mit dem Nötigsten und gibt ihm zu verstehen, dass er nicht bleiben kann. Trotzdem kehrt er zurück. Er hilft auf dem Hof, den sie alleine bewirtschaftet.

Ihr Mann, mit dem sie die Tierzucht vor einem Jahr gepachtet hatte, ist verschwunden. Täglich fragt der Besitzer des Hofes nach ihm. Er ist misstrauisch, ob Alye die Arbeit alleine schafft.

Originalsprachen mit Untertiteln

Cabir und Alye leben gemeinsam unter einem Dach, er spricht nur arabisch, sie nur türkisch. Beide sind einsam und hadern mit ihrem Schicksal. Eines Abends erzählen sich die Seelenverwandten ihre Lebensgeschichten. Sie reden sich das Leid von der Seele – wohlwissend, dass der andere kein Wort versteht.

Sie verstehen einander trotzdem, auch ohne eine verbindende Sprache, denn sie teilen ähnliche Gefühle. In der emotional berührensten Szene erkennen sie sich im Gegenüber wieder. Sie ahnen, dass sie beide in den Umständen ihres Lebens gefangen sind und eine gemeinsame Zukunft undenkbar ist.

Der Film läuft in den beiden Originalsprachen mit deutschen Untertiteln, was der Geschichte hohe Authentizität verleiht. Der Zuschauer ist dadurch schlauer als die beiden Hauptpersonen. Denn er versteht – im Gegensatz zu Cabir – die Gespräche von Alye mit ihren Nachbarn und ihrem Arbeitgeber.

Es siegt die Menschlichkeit

"Die Flucht" geht trotz dieser kleinen Einschränkung unter die Haut. Das ist vor allem dem grandiosen Spiel der Hauptdarsteller geschuldet. Auch bei der Zeichnung der Atmosphäre eines vergessenen Dorfes am Rande der Welt, dessen Alltag von einer unüberwindbaren Grenze und den Kontrollen geprägt ist, beweist der junge Filmemacher großes Gespür für Zwischentöne.

Alye, die mit ihrem Mann vor einem Jahr ins Dorf gezogen ist und nach seinem Verschwinden den Hof alleine bewirtschaftet, schlägt das Misstrauen der Dorfbewohner ebenso entgegen wie den Flüchtlingen.

In Alye, die selbst kein Mitleid und kaum Hilfe erfährt, deren Existenz durch das Verschwinden ihres Mannes bedroht ist, siegt die Menschlichkeit. Sie hilft einem Menschen zur Flucht aus dem inneren und vor einem äußeren Gefängnis, dem sie selbst nicht entfliehen kann.

Von Katharina Dockhorn


Quelle:
KNA