Film über jüdische Brüder feiert Premiere

Menachem und Fred

Dass es nicht so einfach ist, alle Brücken hinter sich abzubrechen, zeigt ein deutsch-israelischer Kino-Dokumentarfilm, der am Wochenende erstmals in Deutschland bei den 42.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Hofer Filmtagen gezeigt wird. "Menachem und Fred" erzählt die berührende Geschichte der Wiederbegegnung zweier Brüder nach Jahrzehnten der Trennung. Nichts sollte mehr an die Vergangenheit in Deutschland erinnern. Den Heinz Mayer, der als Jude im badischen Hoffenheim geboren wurde, sollte es nicht mehr geben. Aus Heinz wurde Menachem.

Und als Menachem Mayer 1948 das Schiff nach Haifa betrat, warf er seine Papiere ins Meer. Sein Bruder Fred gab seine jüdische Identität sogar völlig auf und nahm in den USA den Namen Frederick Raymes an - der neue Familienname zusammengesetzt aus den Buchstaben des alten.

"Man hat mich hin und her gekickt wie einen Fußball"
"Als ich in Israel ankam, habe ich mich direkt zu Hause gefühlt", berichtet Menachem. Doch die Vergangenheit ließ sich nicht so einfach im Meer versenken. Wer Mayer in Jerusalem besucht, trifft einen 76-Jährigen, der sich seiner Geschichte in schmerzhaften Schritten wieder angenähert hat. Ein Weg durch die Hölle: Es waren die letzten Briefe der Eltern aus den Lagern, die Jahrzehnte unbeachtet in der Schublade lagen, und es waren die Fragen der Kinder nach den Großeltern, die den Erinnerungsprozess in Gang setzten.

"Man hat mich hin und her gekickt wie einen Fußball", ringt der Biologe im Film nach Worten. Für den Mann, der in Israel Karriere machte und im Erziehungsministerium in Jerusalem Lehrpläne für Naturwissenschaften entwickelte, ist seine Kindheit wie ein schwarzes Loch. "Wir waren einst eine Familie, und mit einem Tag war alles weg."

Zurück nach Hoffenheim
Die Suche nach den Wurzeln führte zurück nach Hoffenheim bei Heidelberg. Dort hatten die Eltern Karl und Mathilde Mayer eine bescheidene Existenz als Viehhändler und Synagogendiener geführt, bis der Nazi-Terror das Leben immer unerträglicher machte. Demütigung, Ausgrenzung: Höhepunkt der Entmenschlichung war die Zerstörung der Synagoge und der Wohnung der Mayers in der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November 1938.

1940 wurden die Mayers mit den beiden Söhnen ins Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Ein Leben unter primitivsten Bedingungen.
Als eine Hilfsorganisation anbot, die Kinder aus dem Lager zu holen, riskierten die Eltern die Trennung: Ein kurzes Winken von der Brücke
- dann ließen sie Heinz und Manfred ziehen. Auf Nimmerwiedersehen, denn Karl und Mathilde Mayer starben in Auschwitz.

Die Brüder kamen in ein französisches Kinderheim. Doch 1944 erfuhren die Nazis von der Existenz jüdischer Kinder in der Einrichtung: Über Nacht wurden die Brüder getrennt. Manfred wurde bei französischen Bauern versteckt, Heinz in die Schweiz geschleust.

Nach Kriegsende ging jeder seinen Weg
Als großer Bruder hatte Manfred dem Vater versprochen, für den Jüngeren zu sorgen. Doch nach Kriegsende ging jeder seinen Weg: Manfred/Fred arbeitete in den USA als Luftfahrtingenieur. Heinz/Menachem wanderte nach Israel aus, gehört dem orthodoxen Judentum an. Die Identifikation mit dem jüdischen Staat geht weit: Seine Kinder sind jüdische Siedler in der Westbank, Sohn Jonathan hat eine verantwortliche Position beim Siedlungsbau.

Es waren die bewegenden Briefe der Eltern aus den Lagern, die die beiden Brüder veranlassten, nach Jahrzehnten wieder Kontakt aufzunehmen. Doch zur Wiederbegegnung kam es erst, als die israelischen Filmemacherinnen Ofra Tevet und Ronit Kertsner die beiden Brüder für den Dokumentarfilm zu einer Reise durch Deutschland, Frankreich und Polen einluden.

Geste der Versöhnung
2001 veröffentlichten Menachem und Fred ihre Lebensgeschichte, zunächst auf Hebräisch, publiziert von Jad Vaschem in Jerusalem, 2002 dann auf Englisch. Dass das Buch dann unter dem Titel "Aus Hoffenheim deportiert - Der Weg zweier Brüder" auch auf Deutsch erschien, ist unter anderem das Verdienst des Hoffenheimer Gründers des Software-Konzerns SAP, Dietmar Hopp.

Eine Geste der Versöhnung: Denn dessen Vater Emil war als SA-Führer
1938 an der Gewalt gegen die Hoffenheimer Juden maßgeblich beteiligt. Hopp lud die Brüder mit allen Kindern und Enkeln auch nach Hoffenheim ein. Ein schmerzvolles und teilweise auch schockierendes Wiedersehen, wie der Dokumentarfilm zeigt, der bald auch in die deutschen Kinos kommen soll.