Festakt, Volksfest und Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit

"Bleiben wir wachsam und wirksam"

Mit einem Festakt und einem ökumenischen Gottesdienst haben die Spitzen von Staat und Gesellschaft am Montag in Bonn den Tag der Deutschen Einheit gefeiert. Kardinal Joachim Meisner warnte dabei davor, die deutsche Teilung und das Unrecht in der DDR zu vergessen.

 (DR)

Viele Bewohner in den neuen Bundesländern nähmen mit Erschrecken war, "wie schnell die Erinnerung an die brutalen atheistischen Methoden" des SED-Regimes verblassten, sagte der Kölner Erzbischof am Montag beim ökumenischen Gottesdienst zum Tag der Deutschen Einheit in der Bonner Kreuzkirche. Meisner rief dazu auf, die vor zwei Jahrzehnten geschenkte Freiheit "zu schützen, zu bewahren und zu vertiefen". In den Köpfen und Herzen mancher Menschen seien Schlagbäume und Mauern noch nicht ganz verschwunden. "Bleiben wir wachsam und wirksam", so Meisner.



An dem Gottesdienst, dem ersten protokollarischen Höhepunkt der Feiern zum Tag der Deutschen Einheit, nahmen Bundespräsident Christian Wulff, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Bundesratspräsidentin und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) teil. Zu den rund 1.000 geladenen Gästen zählten auch der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Perisset, sowie der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Andreas Voßkuhle, der beim anschließenden Festakt im ehemaligen Plenarsaal des Bundestags die Rede hält.



Die Schlagbäume "spalteten unser Vaterland, trennten Mensch von Mensch, zerrissen familiäre und freundschaftliche Verbindungen", sagte Meisner beim Gottesdienst. "Auf durchaus konsequente Weise ging damit der Versuch einher, Gott selbst aus der DDR auszubürgern und hinter die Schlagbäume zu verbannen." Der Erzbischof erinnerte besonders an Kinder und Jugendliche, die unter SED-Herrschaft am beruflichen Fortkommen gehindert und Opfer geworden seien.



Der Kardinal verwies darauf, dass er als Weihbischof in Erfurt von 1975 bis 1980 und danach als Bischof von Berlin "die ganze Absurdität der Teilung Deutschlands" erlebt habe. "Das sozialistische Paradies (...) musste mit Schlagbäumen, Zäunen und Todeszonen dafür sorgen, dass ihm die Menschen nicht davonliefen", so der Erzbischof. Zwar seien die DDR-Bewohner von Schlagbäumen umgeben gewesen. "Aber Gott sei Dank wurden die katholischen Dörfer in der Rhön und im Eichsfeld alle noch von anderen Bäume charakterisiert: durch große Kreuze auf den Dorfplätzen und in den Dorffluren", betonte Meisner. Die guten Bauern hätten bei der Zusammenlegung der kleinen Felder während der Zwangskollektivierung dafür gesorgt, dass die Kreuze entgegen dem Willen der Partei nicht beseitigt worden seien. "Der Kreuzesbaum war die große Alternative zu den Schlagbäumen", unterstrich der Erzbischof.



Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, sagte, auch heute errichteten Menschen "immer wieder neue innere und äußere Schlagbäume". Aus Misstrauen, Angst und Gier wollten sie ihre tradierten Werte und materiellen Besitztümer nicht aufs Spiel setzen. In der Hoffnung auf Gottes Reich müsse der Mensch aber nicht in Gleichgültigkeit oder selbstsüchtige Lebensgier verfallen, müsse er sich nicht mit Schlagbäumen abschotten. Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland, Augoustinos, betonte in der Auslegung eines Schriftwortes aus dem Alten Testament, dass der Friede unter den Menschen immer wieder bedroht und deswegen neu zu erarbeiten sei.



Festakt mit den Spitzen von Staat und Gesellschaft

Im Anschluss an den Gottesdienst war ein Festakt mit den Spitzen von Staat und Gesellschaft im Plenarsaal des alten Bundestages geplant. Daran wollten unter anderen Bundespräsident Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und die amtierende Bundesratspräsidentin, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), teilnehmen. Die Festrede sollte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, halten.



Die Festveranstaltungen sind Höhepunkt und Abschluss der am Samstag begonnenen dreitägigen Feierlichkeiten mit hunderttausenden Menschen in der Bonner Innenstadt und am Rheinufer. Die Feiern zum Tag der deutschen Einheit werden immer in dem Bundesland ausgerichtet, das den Vorsitz im Bundesrat inne hat. Bonn war von 1949 bis 1990 provisorische Bundeshauptstadt und bis 1999 Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland. Gefeiert wurde auch der 65. Gründungstag des Landes Nordrhein-Westfalen.