Fest der Heiligen Familie in Bethlehem - wie das Malteserkrankenhaus über Religionsgrenzen hinweg hilft

Hier wird viel geboren

3.000 Kinder kommen jährlich im Malteserkrankenhaus zur Heiligen Familie in Bethlehem auf die Welt. Damit ist die katholische Einrichtung die größte Geburtsklinik im Westjordanland. Die Mütter sind fast alle muslimische Palästinenserinnen.

Autor/in:
Andrea Krogmann
 (DR)

"Jedes Wochenende kommen palästinensische Brautpaare für ihre Hochzeitsfotos in den Innenhof unserer Geburtsklinik. Und neun Monate später sehen wir viele von ihnen wieder", berichtet Jacques Keutgen augenzwinkernd. Der belgische Arzt ist seit sechs Jahren Ärztlicher Direktor des Hauses.

"Wenn Sie in der Stadt nach dem 'Holy Family Hospital' fragen, werden Sie fragende Blicke ernten", sagt Keutgen. Das liegt nicht daran, dass das Spital, das kürzlich sein 20-jähriges Bestehen feierte, unter mangelnder Bekanntheit leiden würde; sein guter Ruf eilt ihm weit in die Palästinensergebiete voraus. Quasi 100 Prozent der Risikoschwangerschaften werden heute hier betreut; insgesamt kommen rund 70 Prozent der kleinen Palästinenser in der Bethlehemer Klinik auf die Welt, erklärt Keutgen. Doch für die Bevölkerung ist es das "French Hospital" geblieben: das französische Krankenhaus, nach der Sprache der Vinzentiner-Schwestern, die 1885 in diesen Räumlichkeiten ein erstes Krankenhaus eröffneten.

"Als ich 2003 hier ankam, war die Situation alles andere als gut. Die zweite Intifada war voll im Gang; die Panzer waren noch auf den Straßen. Es gab wesentlich mehr Checkpoints als heute, und viele Frauen konnten das Spital nicht erreichen", erinnert sich Keutgen. Heute sei die Lage etwas besser, und auch aus Ramallah und Hebron kommen Frauen zum Entbinden nach Bethlehem. Nicht ohne Stolz berichtet er von den medizinischen Verbesserungen der vergangenen Jahre. Die Neugeborenen-Intensivstation etwa wurde auf 18 Betten ausgebaut. Mit Sterblichkeitsraten von etwas über einem Prozent erzielt die Klinik Ergebnisse wie in der westlichen Welt.

"Die Kosten der Behandlung kann sich fast niemand leisten"
Der Bekanntheitsgrad bringt aber für das Krankenhaus auch Probleme. "Die Kosten der Behandlung kann sich fast niemand leisten", sagt Direktor Keutgen. "Vor allem Risikoschwangerschaften sind kostspielig in der Betreuung". Trotzdem werden alle Patientinnen aufgenommen, ohne Berücksichtigung der Religion oder sozialen Stellung. Sie zahlen, soviel sie aufbringen können. Bei einem Jahresbudget von 3 Millionen Euro kämpft man mit einem Defizit von jährlich 1,2 Millionen Euro, für das der Malteserorden aufkommt.

Die angespannte Wirtschaftslage macht sich bemerkbar: Die Spendenbereitschaft sei deutlich zurückgegangen, erklärt der Arzt.
Gegen Stimmen, die die Dienste des Krankenhauses auf Frauen aus Bethlehem einschränken möchten, wehrt er sich energisch: "Es ist unsere Aufgabe, jene aufzunehmen, die überall abgewiesen werden. Sonst könnte ich auch nach Europa zurückgehen."

"Unser Krankenhaus ist eine Oase des Friedens"
Sein jüngstes Projekt: Fernsehsendungen stellen zweimal monatlich Themen aus der Gynäkologie vor; die Zuschauer sollen mit ihren Fragen anrufen können. Das Zielpublikum sind Frauen über 45. Gleichzeitig soll eine wöchentliche Sprechstunde für diese Frauen eingeführt werden. Denn: "Die meisten Frauen, die aus dem gebärfähigem Alter raus sind, gehen überhaupt nicht mehr zum Arzt."

Sein Engagement versteht Keutgen als dezidiert christlich. Er will "in dieser schwierigen Situation versuchen, das Beste daraus zu machen und ein Zeuge der guten Zusammenarbeit von Muslimen und Christen sein". Diese Zusammenarbeit, sagt er, funktioniere ausgezeichnet: "Wir haben weniger Probleme als in Europa; unser Krankenhaus ist eine Oase des Friedens."