Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit

"Unser Land ist keine Insel"

Gott habe bei Wiedervereinigung auch seinen Finger mit im Spiel gehabt, betonte Erzbischof Zollitsch in seiner Predigt am Tag der Deutschen Einheit. Bundespräsident Gauck erinnerte an die Verantwortung Deutschlands.

Ökumenischer Gottesdienst zum 3. Oktober (dpa)
Ökumenischer Gottesdienst zum 3. Oktober / ( dpa )

Nach Ansicht von Bundespräsident Joachim Gauck sollte sich Deutschland selbstbewusst seiner internationalen Verantwortung stellen. "Unser Land ist keine Insel. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen", sagte Gauck am Donnerstag beim zentralen Festakt zum Tag der Deutschen Einheit in Stuttgart. Für eine Stärkung des Föderalismus in Deutschland und Europa warb der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der als amtierender Bundesratspräsident Gastgeber der diesjährigen Feiern zum 3. Oktober war.

Gauck sagte, er möge sich nicht vorstellen, "dass Deutschland sich groß macht, um andere zu bevormunden": "Aber ich mag mir genau so wenig vorstellen, dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu umgehen." Ein Land, das sich so als Teil eines Ganzen versteht, müsse weder bei seinen Bürgern auf Abwehr noch bei den Nachbarn auf Misstrauen stoßen.

Der gebürtige Rostocker und ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen hielt als Bundespräsident erstmals die Hauptrede zum 3. Oktober.

Ökumenischer Gottesdienst in Stuttgarter Stiftskirche

Mit einem feierlichen ökumenischen Gottesdienst in der Stuttgarter Stiftskirche hatten am Morgen die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit begonnen. In seiner Ansprache dankte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, für die Wiedervereinigung. Der Tag der Einheit erinnere daran, "welche Wende, ja welches Wunder sich in unserem Land ereignet hat".

Gekommen waren in die Stiftskirche auch die Repräsentanten der fünf Verfassungsorgane: Bundespräsident Joachim Gauck, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesratspräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle.

Den Gottesdienst leiteten neben Zollitsch und dem Rottenburger Bischof Gebhard Fürst die evangelischen Landesbischöfe Frank Otfried July und Ulrich Fischer sowie der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos.

Zollitsch: Gott hatte bei Wiedervereinigung Finger mit im Spiel

Zollitsch betonte, wo sich Menschen von Gott getragen wüssten, könnten sie auch andere tragen. Dies könne "Mut machen, uns für andere einzusetzen auch dann, wenn wir nicht wissen, wie es alles gehen soll."  Zollitsch forderte dazu auf, der Kraft des Gebetes zu vertrauen.

Dass sich in der Syrienkrise Russland und die USA überraschend auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hätten, sei auch eine Folge weltweiter Gebete. Ähnlich beim Prozess der deutschen Vereinigung 1990: Auch hier habe Gott "seine Finger mit im Spiel gehabt", sagte der Erzbischof.

Zollitsch sprach ferner von seiner eigenen Lebensgeschichte, von der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Titos Truppen in seinem Heimatdorf im heutigen Serbien mehr als 200 Männer erschossen, darunter Zollitschs Bruder. Er selbst kam mit Mutter und Großmutter in ein Vernichtungslager, aus dem sie fliehen konnten und schließlich ins nordbadische Oberschüpf gelangten.

Dort trat "das Andersartige und Fremde immer mehr in den Hintergrund.

Freundschaft und Miteinander wuchsen. Hilfe und Solidarität wurden geschenkt. All das kann ich nicht vergessen", so Zollitsch. "Und wir dürfen es als Volk nicht vergessen." Er betonte, es gehe nicht darum, ständig das Außergewöhnliche zu leisten, "sondern das Gewöhnliche außergewöhnlich gut zu tun". Dies könne der Einsatz für Jugendliche ohne Arbeit sein, die Bereitschaft, Behinderten zu helfen, oder Mut zur Versöhnung.

Gemeinsame Feierstunde von Christen, Juden, Muslimen und Buddhisten

Im Rahmen des Bürgerfestes unter dem Motto "Zusammen einzigartig" präsentierten sich auch die Religionen. So gab es eine gemeinsame Feierstunde von Christen, Juden, Muslimen und Buddhisten. Mit ihr sollte zum Ausdruck kommen, dass Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen friedlich miteinander leben, einander achten und Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen könnten. Das Haus der Katholischen Kirche zeigte sich als Oase "jenseits vom Trubel auf den Straßen und Plätzen". Die Protestanten boten ein Mittagsgebet und ein ökumenisches Taize-Gebet an. Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) öffnete ihre Synagoge, der Landesverband der Islamischen Kulturzentren (LVIKZ) bot Moscheeführungen an.

Die Feiern zum Tag der Deutschen Einheit finden jährlich in einem anderen Bundesland statt. Maßgeblich ist die Bundesratspräsidentschaft, die aktuell der baden-württembergische Landeschef Kretschmann ausübt. Das Land im Südwesten ist nach 1997 das zweite Mal Gastgeber. In der Innenstadt präsentierten sich Verfassungsorgane, die Bundesländer und die einzelnen Regionen des gastgebenden Bundeslandes.

 


Quelle:
KNA , epd