Fastenaktion der evangelischen Kirche steht unter dem Motto "Sich entscheiden"

Dem Zaudern ein Ende bereiten

Zu den Männern, die nur wenige Worte machen, gehört er bestimmt nicht. Doch wenn der Kölner Pfarrer Josef Embgenbroich sein Lebensmotto nennen soll, kommt er mit nur zwei lateinischen Begriffen aus: Carpe diem - Nutze den Tag. "Ich entscheide mich für das, was heute wichtig ist", sagt der 69-jährige Priester. Denn, so betont er, "alles hat seine Zeit". Und so beginnt er nach den tollen Tagen des Karnevals, die er besonders liebt, mit dem Fasten. Beides gehört für ihn untrennbar zusammen.

Autor/in:
Sabine Damaschke
Sich entscheiden: Foto der evangelischen Fastenaktion "Sieben Wochen ohne" (epd)
Sich entscheiden: Foto der evangelischen Fastenaktion "Sieben Wochen ohne" / ( epd )

«Es ist eine Chance, das eigene Gewissen zu schärfen», sagt Embgenbroich. «Und die Verantwortung gegenüber der Schöpfung und dem Schöpfer durch ein reduziertes Leben stärker wahrzunehmen.» Sieben Wochen lang verzichtet er auf Alkohol, sieht nicht fern und nimmt sich mehr Auszeiten für das Gespräch mit Gott. Seit einigen Jahren begleitet den katholischen Geistlichen dabei der Kalender der evangelischen Fastenaktion «7 Wochen ohne». Ein Projekt, für das Embgenbroich auch in seiner Gemeinde gerne wirbt, denn «Ökumene wird bei uns groß geschrieben», sagt er.

Jedes Jahr steht die Aktion unter einem anderen Motto. «Sich entscheiden - 7 Wochen ohne Zaudern», heißt es diesmal. Ein Thema, das Embgenbroich am Herzen liegt. «Die richtige Entscheidung zu treffen, ist heute schwer geworden», beobachtet er. «Ich begegne immer häufiger Menschen, die unter der Qual der Wahl regelrecht leiden und sich gar nicht mehr entscheiden können.» In vielen seelsorgerlichen Gesprächen versucht der Pfarrer, ihnen dabei zu helfen.

«Unsere Gesellschaft krankt daran, dass viele Menschen kein klares Ja oder Nein mehr sagen wollen oder können», sagt die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. Gemeinsam mit dem Kuratorium der Fastenaktion hat sie das diesjährige Motto ausgesucht. Ein starkes Zaudern erlebe sie nicht nur im Privatleben der Menschen, sagt Breit-Keßler, wenn es um die Partnerwahl oder die Familiengründung gehe. Auch in Politik und Gesellschaft würden Reformen, etwa im Umwelt-, Bildungs- oder Sozialbereich, nur zögernd realisiert. «In den Kirchen tun wir uns ebenfalls schwer damit, Entscheidungen mutig umzusetzen», kritisiert Breit-Keßler.

Daher erhofft sich die 54-jährige Bischöfin von der 26.
Fastenaktion auch Impulse für die Kirchengemeinden. Immerhin beteiligen sich jedes Jahr rund zwei Millionen Menschen zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag am Projekt «7 Wochen ohne». In zahlreichen Gemeinden treffen sich Gruppen zum Gebet und Gespräch. «Das Fasten schärft den Blick», sagt Breit-Keßler. «Es kann dabei helfen, Prioritäten zu setzen, Nachrangigkeiten festzulegen und die getroffene Entscheidung dann ohne Zaudern umzusetzen», sagt sie.

Wer sich nach einem intensiven Prozess des Abwägens entschieden hat, wird übrigens mit Glücksgefühl belohnt. «Jeder Mensch braucht Ziele und wenn wir bewusst auf sie zugehen, macht uns das glücklich», erklärt Schweizer Psychologe und Unternehmensberater Chris Roetheli, der an der Universität Zürich das noch recht junge Fach der Entscheidungspsychologie lehrt. Ob das Ziel auch tatsächlich erreicht wird, spielt dabei gar nicht eine so große Rolle.

«Nicht jede gut durchdachte Entscheidung hält später das, was man sich von ihr versprochen hat», weiß der 54-jährige Psychologe. Doch auch aus dieser Erfahrung könne gelernt werden. «Risiken gehören zum Leben dazu, und wer sie eingeht und Grenzen auch mal überwindet, führt in der Regel ein zufriedeneres Leben.» Statt sich mit Selbstvorwürfen und Selbstmitleid zu quälen, sollte also auch die falsche Entscheidung, die in bestem Gewissen getroffen wurde, akzeptiert werden.

Das Führen eines Tagebuchs könnte nach Ansicht Roethelis dabei helfen, den Entscheidungsprozess zu reflektieren und Stolperfallen zu vermeiden. «Wenn eine falsche Wahl getroffen wurde, liegt es oft daran, dass zu schnell und zu einsam entschieden wurde», beobachtet der Psychologe. Er rät dazu, sich gut zu informieren, Vor- und Nachteile abzuwägen, auf das Bauchgefühl zu hören und dann eine Nacht darüber zu schlafen. «Wer danach seine Entscheidung trifft, lebt damit meist besser als mit der Zerrissenheit des Zauderns», meint Roetheli.

Für Josef Embgenbroich hat das «Sich entscheiden können» mit Vertrauen zu tun. Nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu einer höheren Macht, die den Menschen trägt. «Was jetzt dran ist, das ist letztlich von Gott gefügt», glaubt der katholische Pfarrer.