Fassungslosigkeit über Vorgehen gegen Rektor in Frankfurt

"Genau das falsche Signal"

​Nach der Missbrauchsstudie schien die Debatte über Homosexualität auch in der Kirche neu eröffnet zu sein. Das will der Vatikan nun offenbar unterbinden. Ein katholischer Hochschulrektor verliert wohl seinen Posten.

Autor/in:
Norbert Demuth
Glaskuppel mit Hand, Fisch und Taube im Hörsaal der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen / © Heike Rost (KNA)
Glaskuppel mit Hand, Fisch und Taube im Hörsaal der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen / © Heike Rost ( KNA )

Ein renommierter katholischer Theologe soll auf Betreiben des Vatikan seinen Posten als Hochschulleiter verlieren - wegen positiver Aussagen zur Homosexualität. Jesuitenpater Ansgar Wucherpfennig ist zwar als Rektor der katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt für eine weitere Amtszeit gewählt worden. Doch bislang verweigert Rom überraschend die notwendige Bestätigung für die Amtsverlängerung.

Das entsetzt nicht nur die Initiative "Wir sind Kirche", die "entschiedenen Widerstand" gegen die römische Entscheidung fordert. Auch der Limburger Bischof Georg Bätzing und der Jesuitenorden äußerten ihr Unverständnis. Johannes Siebner, Provinzial der Jesuiten in Deutschland, erklärte am Montag: "Ich kann mir ehrlich gesagt gar nichts anderes vorstellen, als dass es sich da um ein Missverständnis handelt. Ansonsten wäre es ein empörender Vorgang."

"Nihil obstat" blieb bisher aus 

Hintergrund sei "die Auffassung der Glaubenskongregation, dass öffentliche Äußerungen von Pater Wucherpfennig im Oktober 2016 nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmen". Es gehe dabei um theologische Überlegungen zur Homosexualität und um Fragen eines möglichen Diakonats der Frau.

Bereits Anfang Februar 2018 hatte die Hochschulkonferenz den seit 2014 amtierenden Wucherpfennig für eine dritte zweijährige Amtszeit zum Rektor gewählt. Diese Wahl fordert eine Bestätigung der kirchlichen Autoritäten. Sowohl der Limburger Bischof Bätzing als auch Provinzial Siebner hatten dieser Wahl zugestimmt. Die noch benötigte römische Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"), die die Bildungskongregation zusammen mit der Glaubenskongregation ausstellt, "blieb bisher jedoch aus", so der Jesuitenorden.

Stein des Anstoßes: Äußerungen über Homosexualität und Frauen in der Kirche

Über den Vorgang hatten zuerst der "Kölner Stadt-Anzeiger" und die "Frankfurter Rundschau" (Montag) berichtet. Demnach verlangt der Vatikan von Wucherpfennig einen öffentlichen Widerruf seiner Positionen. Der 52-jährige Professor für Neues Testament hatte sich im Oktober 2016 in einem Interview der "Frankfurter Neuen Presse" geäußert.

Auf die Frage, warum die katholische Kirche Homosexuellen gegenüber eine "ablehnende Haltung" habe, antwortete er damals: "Mein Eindruck ist, dass das tiefsitzende, zum Teil missverständlich formulierte Stellen in der Bibel sind." Wucherpfennig hatte zudem dazu angeregt, über den verpflichtenden Charakter des Zölibats nachzudenken. "Problematisch finde ich auch die Männergesellschaften, die sich durch den Zölibat in der katholischen Kirche etabliert haben", so der Theologe. Nur wie von Papst Franziskus gefordert über das Diakonat der Frau nachzudenken, das sei "noch zu kurz gegriffen".

Zur Entscheidung aus Rom könnte auch ein erst wenige Monate alter Beitrag Wucherpfennigs in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" vom Juni 2018 beigetragen haben. Dort hatte er Segensfeiern für homosexuelle Lebenspartner befürwortet.

"Kein Zweifel an Eignung"

Jesuiten-Provinzial Siebner ging am Montag auf Konfrontationskurs zu Rom; er stehe uneingeschränkt zu Wucherpfennig, erklärte er: "Seine Amtsführung der letzten vier Jahre, seine Theologie, seine völlig unstreitige Kirchlichkeit und seine persönliche Integrität lassen nicht den geringsten Zweifel an seiner Eignung zu."

Ein Bistumssprecher sagte gegenüber DOMRADIO.DE, auch der Bischof habe Wucherpfennigs Wiederwahl "uneingeschränkt" zugestimmt. Die Entscheidung des Vatikan sei "wenig nachvollziehbar". Der Frankfurter Stadtdekan Johannes zu Eltz sprach von einer "völlig ungerechtfertigten Bestrafung" des Rektors.

"Ein Fall mit Signalwirkung"

Die katholischen Pfarrer Frankfurts zeigten sich in einer gemeinsamen Erklärung "fassungslos" über das römische Vorgehen. Der Versuch, "das offene Gespräch über Sexualfragen innerhalb der Kirche zu unterbinden", sei "genau das falsche Signal". Die erschreckenden Erkenntnisse der kürzlich von der Bischofskonferenz veröffentlichten Missbrauchsstudie machten deutlich, "dass auch der pathologische Umgang der Kirche mit dem Thema (Homo-)Sexualität sexualisierte Gewalt begünstigt".

Nach den Satzungen der Hochschule hat Prorektor Thomas Meckel vom 1. Oktober 2018 an die Amtsgeschäfte des Rektors übernommen. Dies gilt laut Jesuitenorden solange, "bis eine ordentliche Ernennung des Rektors der Hochschule aus Rom erfolgt". Der BDKJ-Bundesvorsitzende Thomas Andonie rief Papst Franziskus auf, sich direkt einzuschalten. Der Fall habe große Signalwirkung.


Ansgar Wucherpfennig / © Harald Oppitz (KNA)
Ansgar Wucherpfennig / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA