Das Suchaufgabenbild lösen ist leicht. Im ersten Bild sieht der Betrachter eine Frau am Schreibstisch. Schon. Aber er sieht auch: das Telefon klingeln, den Arbeitsstapel auf dem Schreibtisch vorwurfsvoll klagen, zwei sich prügelnde Kinder, eines in der Ecke schmollen und aus der Küche den Toaster qualmen.
Im zweiten Bild: Eine Frau am Schreibtisch. Fertig.
Zum Glück bin ich kein Suchbild. Zum Glück kann ich mich fragen: wie bin ich nur in das zweite Bild gekommen? Wenn ich da genau hinschaue, sehe ich jede Menge Dinge, die ich gar nicht sehen will: Die Frau hat Falten im Gesicht und graue Strähnchen im Haar. "Pippileicht" hätten meine Kinder zu diesem Suchbildrätsel gesagt. Als sie noch Kinder waren.
Das sind sie nicht mehr. Im Gegenteil, das Leben fängt schon an, einen Streuselkuchen in das Gesicht des Jüngsten zu malen. Noch ein, zwei Jahre, dann gibt es keine Kinderstimme mehr hier im Haus.
Kein Mitleid mit der Frau im zweiten Bild, Bitte. Es ist überaus angenehm, ganz in Ruhe schreiben zu können! Wenn die Frau vom Schreibtisch aufblickt und über die Eichenbäume vom Spielplatz schaut – dann sieht sie, seit ein paar Wochen schon, die Blätterspitzen gelber werden. Der Sommer weicht dem Herbst. Das kann sie nicht verhindern. Weder draußen, noch drinnen.
Mein Herz erschrickt vor der Parallele. Wird es bei uns jetzt herbstlich stürmen? Selbst wenn jetzt die Sonne scheint, hat sie nicht mehr genug Kraft, um uns zu wärmen. Haben wir unsere beste Zeit hinter uns?
Dem trüben Sonntagmorgen und meiner Zukunftssorge will ich diese Frage nicht überlassen. Ich bin alt genug um Indian Summer, goldene Herbst- und strahlende Wintertage erlebt zu haben.
Genau jetzt stürmt der Jüngste in mein Zimmer: "Mama, Frühstück ist fertig. Kommst Du?"
Im Kalender fängt der Herbst ja auch erst am 21. September an.