Familienplanung zwischen Lebenszuversicht und Zukunftsangst

Heute noch ein Kind bekommen?

Krisen, Krisen, nichts als Krisen: Die Rahmenbedingungen für die Familienplanung waren schon mal besser. In Österreich etwa gehen die Kinderwunschzahlen wegen globaler Konflikte und Teuerung des Lebens deutlich zurück.

Autor/in:
Angelika Prauß
Ein Baby hält den Finger der Mutter / © Vad-Len (shutterstock)
Ein Baby hält den Finger der Mutter / © Vad-Len ( shutterstock )

"Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", dieser Satz soll auf den Reformator Martin Luther zurückgehen. Ähnliches könnte heute manches junge Paar im übertragenen Sinne mit Blick auf die Familienplanung formulieren. Angesichts von Klimakrise, Krieg gegen die Ukraine, Krieg im Nahen Osten und zahllosen weiteren politischen Unwägbarkeiten stellt sich die Frage: Wollen wir heute noch ein Kind bekommen?

Nach einer aktuellen Studie der Universität Wien hat sich etwa in Österreich die Zahl jener Frauen, die sich überhaupt kein Kind wünschen, mehr als verdreifacht. Knapp ein Drittel der Befragten hat wegen der Krisen den eigenen Kinderwunsch entweder geändert (11 Prozent) oder sich diesbezüglich unsicher (19 Prozent) geäußert.

Naturkatastrophen und den Klimawandel

Dabei gab es zu allen Zeiten wirtschaftliche und politische Unwägbarkeiten, Hungersnöte und Kriege, in denen Kinder geboren wurden und allen Widrigkeiten zum Trotz aufgewachsen sind - so im von Epidemien und Hungersnöten heimgesuchten Mittelalter, in den Trümmern des Ersten und Zweiten Weltkriegs, während des Kalten Krieges mit der latenten Gefahr eines Atomkrieges.

Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen / © Marius Becker/dpa (dpa)
Nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen / © Marius Becker/dpa ( dpa )

Heute kommen Unwägbarkeiten durch zunehmende Naturkatastrophen und den Klimawandel hinzu, die die Familienplanung junger Menschen in westlichen Gesellschaften infrage stellen. 2017 sorgte eine wissenschaftliche Studie schwedischer und kanadischer Wissenschaftler zur Klimabilanz für Aufsehen, in der als wirksamste Maßnahme gegen die Erderwärmung der Verzicht auf Kinder genannt wird. Demnach bedeutet jedes nicht in die Welt gesetzte Kind eine CO2-Einsparung von 58,6 Tonnen im Jahr. Ein Leben ohne Auto dagegen biete pro Jahr nur ein Einsparpotenzial von 2,4 Tonnen.

Aus Sorge vor der Klimakrise und Angst vor einer durch den Klimawandel kaum noch bewohnbaren Welt haben sich in den USA und anderen Ländern Frauen unter "#birthstrike" - Gebärstreik - zusammengeschlossen, die bewusst auf Nachwuchs verzichten. Die Bewegung soll auf die britische Sängerin Blythe Pepino zurückgehen. Anliegen der Bewegung ist es, sich ohne Kind aktiver in den Klimaschutz einbringen zu können und überhaupt Emissionen durch neue Erdenbürger zu verhindern.

Oft persönliche Gründe

Angst vor Verantwortung oder überhaupt Zukunftsangst ist "einer von mehreren häufig genannten Gründen", wenn angehende Eltern eine Schwangerschaftskonfliktberatung aufsuchen, sagt Sozialpädagogin Monika Miedl, Beraterin bei Donum Vitae in Mühldorf-Altötting. In ihrem privaten Umfeld gebe es "großes Verständnis, wenn jemand aus Sorge um die Weltlage keine Schwangerschaft mehr wagt".

Eine Schwangere mit einem Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht (shutterstock)
Eine Schwangere mit einem Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht ( shutterstock )

In der Schwangerschaftskonfliktberatung gehe es indes weniger um Sorgen aus der politischen oder wirtschaftlichen Großwetterlage, sondern "immer um Persönliches": einen abwesenden Partner, einen Mann, der nicht zu seinem Kind stehe, die Aussicht auf einen lange ersehnten Ausbildungsplatz, die mögliche Überforderung durch eine weitere Schwangerschaft. "Die Themen bleiben über die Zeit ähnlich."

Selbst heute komme die Hälfte der Kinder ungeplant, so Miedl. Die Beraterin räumt ein, dass es durchaus Zeiten und Umstände gebe, wo Kinder eine ganz besondere Herausforderung seien. Sie staune bei vielen ihrer Klientinnen, "unter welchen Bedingungen sie den Mut haben, einem Kind das Leben zu schenken".

"Mit dem Leid leben"

Die evangelische Theologin und mehrfache Großmutter Margot Käßmann setzt auf christliche Zuversicht. Sie könne verstehen, dass sich die heutige Generation Sorgen um die Zukunft mache, schreibt sie in einem digitalen Herder-Beitrag. Um sich heute für ein Kind zu entscheiden, bedürfe es zum einen Mut und einer gewissen Lebenszuversicht. Denn Schwangerschaft, Geburt und das Leben mit einem Kleinkind seien auch heute "kein Spaziergang". 

Margot Käßmann / © Harald Oppitz (KNA)
Margot Käßmann / © Harald Oppitz ( KNA )

Auch Gottvertrauen dürfe nicht fehlen. "Auch wenn ich nicht alles im Griff habe, bin ich Teil des Lebens, das Gott geschaffen hat." Das schütze nicht vor allem Leid, gebe aber die Kraft, "mit dem Leid zu leben".

Käßmann plädiert dafür, sich zu engagieren, "damit diese Welt für alle lebenswert wird und lebensfähig bleibt". Und sie gibt zu bedenken: Wer keine Kinder mehr in diese Welt setzen wolle, "hat doch alle Hoffnung verloren, dass wir sie verbessern könnten".

Quelle:
KNA