Familienbund: Betreuungsgeld nicht an Arztbesuch knüpfen

"Es gibt einfach keinen Zusammenhang"

Das Betreuungsgeld sorgt weiter für Streit. Der Plan von Bundesfamilienministerin Schröder, die Auszahlung an Arztbesuche zu knüpfen, stößt auf Widerstand des Familienbundes der Katholiken. Geschäftsführerin Claudia Hagen fordert im domradio.de-Interview umfangreiche Hilfen für alle Eltern.

 (DR)

domradio.de: Schwarz-gelb streitet erneut über das Betreuungsgeld.  Bundesfamilien-ministerin Schröder will die Auszahlung des Betreuungsgeldes an Arztbesuche knüpfen.  Was halten sie davon?

Hagen: Vorsorgeuntersuchungen sind sehr wichtig und müssen gemacht werden. Wir halten allerdings nichts davon, dies an die Auszahlung des Betreuungsgeldes zu knüpfen. Es gibt einfach keinen inhaltlichen Zusammenhang! Besser wäre es, familienstützende Hilfen auszubauen, um dieses Ziel zu erreichen.



domradio.de: Bayerns Ministerpräsident Seehofer hat die CDU und Familienministerin Schröder, davor gewarnt beim geplanten Betreuungsgeld vom Koalitionskompromiss abzuweichen und die Auszahlung des Geldes an Vorsorgeuntersuchungen zu knüpfen. Warum will die Bundesfamilienministerin das?

Hagen: Sie hat in einem Interview gesagt, beim Betreuungsgeld gehe es darum Kinder aus schwierigen Verhältnissen in den Augen zu behalten. Falsche Anreize seien zu vermeiden. Sie geht offensichtlich davon aus, dass die Eltern, die Betreuungsgeld beantragen, ihre Kinder tendenziell vernachlässigen. Anders kann ich das nicht interpretieren. Und diese Auffassung teilen wir natürlich nicht. Aber vielleicht will sie ja auch nur unionsinterne Kritiker besänftigen.



domradio.de: Warum machen  sich gerade die Bayern dafür so stark?

Hagen: Die Bayern haben seit mehr als 20 Jahren ein eigenes Landeserziehungsgeld, das sie im Anschluss an das Elterngeld bis zum 3. Lebensjahr der Kinder auszahlen. Damit haben sie sehr gute Erfahrungen gemacht. Nun ist Bayern auch ein Flächenstaat mit einer ländlichen Struktur, in der es einfach noch andere Lebensformen - wie Großfamilien - gibt und der Krippenausbau nicht so vorangeschritten ist wie in Köln oder Berlin, so dass hier die Vielfalt der Lebensformen noch mal anders in den Blick genommen werden.



domradio.de: Sie erwähnten es bereits: Die Mehrheit der Menschen glauben einer Umfrage zufolge, dass das Betreuungsgeld ärmere und bildungsferne Eltern und Migrantenfamilien davon abhalten wird, ihre Kinder in eine Kita zu schicken. Sie hält es eher für sinnvoll, ein bis zwei Milliarden Euro in den Ausbau von Kitas zu investieren. Wie sehen sie das als Vertreterin des Familienbundes der Katholiken?

Hagen: Es ist sehr sinnvoll, Milliarden in den Ausbau der Kinderbetreuung zu investieren, vor allem in die Qualität, auch um den Bedarf der Eltern zu decken. Das ist für uns aber keine Alternative. Wir sagen nicht: lieber Kita statt Betreuungsgeld, sondern Eltern brauchen einfach beides. Eltern müssen flexibel sein, weil sie mit ihrem kleinen Kind nicht so planen können, anders als mit einem Schulkind. Eltern müssen die Wahlmöglichkeit haben, wie sie ihr Kind betreuen. Ob sie es selber machen oder eine Kita in Anspruch nehmen. Dafür muss beides ausreichend vorhanden sein.



domradio.de: Das Betreuungsgeld soll im nächsten Jahr kommen, voraussichtlich im Juli - für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können. Reicht das?

Hagen: Wir fordern eine Anschlussleistung an das Elterngeld - für alle Eltern, unabhängig davon, wie das Kind betreut wird. Wir sind der Meinung dass junge Eltern das Geld einsetzen können müssen für Kitabeiträge oder um einen Verdienstausfall zu kompensieren. Und die Anschlussleistung darf nicht an Sozialleistungen angerechnet werden. Wirklich alle Eltern müssen diese Unterstützung erfahren.



Hintergrund: Das Betreuungsgeld soll nach den Plänen der Bundesregierung voraussichtlich von Mitte 2013 an Eltern ausgezahlt werden, die für ihre Kleinkinder keine staatlich geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Dafür soll es pro Monat zunächst 100, von 2014 an 150 Euro geben. Die Oppositionsparteien lehnen das Vorhaben ab. Widerstand gibt es auch von der FDP und innerhalb der CDU. Die CSU besteht auf der Umsetzung des Koalitionsvertrags, wonach das Betreuungsgeld parallel zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für Kleinkinder kommen soll.  Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte am Montag (16.04.2012), weiter am Betreuungsgeld festhalten zu wollen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Einführung werde bis zur Sommerpause vom Bundesfamilienministerium vorgelegt, erst dann will sich die Kanzlerin zu Details äußern. Ministeriumssprecher Christoph Steegmans erläuterte, dass der jüngste Vorstoß von Ministerin Kristina Schröder (CDU), das Betreuungsgeld an den regelmäßigen Besuch von Vorsorgeuntersuchungen zu knüpfen, mit der CSU abgestimmt sei.



Das Gespräch führte Monika Weiß.