Familienbischof Heiner Koch zur Familiensynode

"Wege zeigen und ermutigen"

In Rom hat die Weltbischofssynode zum Thema Ehe und Familie begonnen. Mit einem festlichen Gottesdienst im Petersdom eröffnete Papst Franziskus die Versammlung. Bischof Heiner Koch wünscht sich eine kreative und offene Atmosphäre.

Familiensynode startet im Vatikan  (KNA)
Familiensynode startet im Vatikan / ( KNA )

domradio.de: Was erwarten Sie als Familienbischof von der Synode im Vatikan?

Bischof Heiner Koch: Zunächst einmal, dass sich die Synode dem Thema stellt, welches sie hat. Es geht um die pastoralen Herausforderungen der Familie im Rahmen der Evangelisierung. Ich finde es schon erstaunlich, wie wenig dieses Thema eigentlich im Vorfeld thematisiert wird. Wir sprechen über die Verantwortungen, die Chancen bei der Förderung der Familien, als der herausragende Ort der Evangelisierung. Wie geht das eigentlich, angesichts der Schweigespirale bei den glaubenden Familien? Wie geht das angesichts der Situation, dass viele Familien nur sehr punktuell, meistens um ein Sakrament herum, Kontakt zur Kirche haben? Wie geht das, wenn ein Partner gläubig ist und ein Partner ungläubig oder gar nicht der Kirche angehört? Dann solche Fragen, dass in Familien Glaubensfragen um des Friedens willen ausgeschlossen werden. Diesen Fragen soll sich die Synode stellen. Meine Erwartung ist, dass sie es sehr offen tut, nicht nur Forderungen stellt, sondern auch Wege zeigt und ermutigt. Das wär mein Hauptanliegen.

Das zweite ist natürlich, dass die Synodenteilnehmer hoffentlich sehr offen miteinander sprechen, aufeinander hören und nicht nur versuchen, den eigenen Standpunkt darzustellen und den Erfolg der Synode daran zu messen, ob der eigene Standpunkt durchkommt. Die Synode fängt damit an, dass man aufeinander hört, vielleicht auch die Anfragen der anderen sehr wahrnimmt, auch als Anfrage an sich selbst, dass man sich bereichern lässt von dem anderen Standpunkt. Ich hoffe, dass auch in Deutschland, aber auch bei der Synode selbst, eine Atmosphäre der Offenheit und auch der Kreativität gegeben ist, die vielleicht ganz neue Lösungen, ganz neue Wege zeigt, um aus den klassischen Schubladen, die ja jetzt vorgezeichnet sind,  herausführt. Ich glaube, dass nur eine kreative Lösung, ein dritter Weg, neben all den bisherigen Standpunkten zu einem Erfolg wird.

domradio.de: Im Vorfeld der Synode hat es auch unter den Bischöfen scharfe Kritik gegeben, es wurde von einem "Krieg der Theologen" gesprochen. Können Sie das bestätigen?

Bischof Koch: In Deutschland wird sich ja komischerweise auf die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen fokussiert. Das ist meines Erachtens eine ziemlich paradoxe Situation. Alle reden von Scheidung und keiner empfiehlt der Synode, wie heute Ehen bewahrt werden können. Jeder redet vom Kommunionempfang, und faktisch gehen immer weniger Leute zur Eucharistie am Sonntag. Die sakramentale eucharistische Anbetung verschwindet immer mehr. Wir sprechen von kirchlicher Ehe und keiner weiß, was ein Sakrament ist. Wir sprechen von einem innerkirchlichen Streit und draußen brennt es, zum Beispiel die Themen Migrantenfamilien, kinderreiche Familien, Sterben und Sterbehilfe in der Familie. Jeder sagt, wir suchen die Autorität der Kirche und jeder betont zur gleichen Zeit, dass er sich daran nicht hält. Jeder weiß, was Papst Franziskus sagt, aber keiner sieht die sehr differenzierten Äußerungen, die manchmal eben nicht ins Schema passen. Jeder weiß, was rauskommen soll und fordert zur gleichen Zeit eine offene Diskussion. Sie merken selber, wie verfahren und blockiert diese paradoxe Situation ist. Ich hoffe, dass sich die Synodenväter auch dieser Frage in aller Offenheit und aller Kreativität stellen und sich nicht von einem Erwartungsdruck so vieler, die genau wissen, was rauskommen muss, beugen werden.

domradio.de: Also geht es weniger darum, die kirchliche Lehrmeinung zu ändern sondern Lehrmeinung und wirkliche Realität auf eine Ebene zu bringen?

Bischof Koch: Ich glaube, dass auch die kirchliche Lehrmeinung und die Realität der Menschen große Berührungspunkte haben. Man muss sie nur entdecken. Ich glaube, das wird nur gelingen, wenn man sie in einen größeren Zusammenhang stellt. Dann wird die kirchliche Lehre neu aufleuchten, dann wird auch die Wirklichkeit, dass sich vieles im menschlichen Leben nicht in Systeme packen lässt, zusammenfinden können.

domradio.de: Wie sollte der Schutz der Familie Ihrer Meinung aussehen, ohne andere Lebensformen auf der anderen Seite zu diskriminieren?

Bischof Koch: Die Ökonomisierung der Familie ist ein großes Problem in der Gesellschaft. Familienfreundliche Politik ist bedeutet heute ja eigentlich, dass möglichst schnell  Eltern  wieder ins Erwerbsleben integriert werden - das soll dann familienfreundliche Politik sein. Es wäre schon toll, wenn es endlich Diskussionen gäbe, wie Eltern mehr Zeit für Ihre Familien, für Ihre Kinder eingeräumt werden kann. Wie auch die gefördert werden, die ihre Kinder nicht frühzeitig wieder abgeben, weil sie erwerbstätig sein müssen. Wie Arbeitszeiten und Arbeitsplatz so miteinander kombinierbar sind, dass Familien in dieser Gesellschaft mit Würde und einer finanziellen Sicherheit leben können. Ich finde das ganz erstaunlich, dass immer nur gesagt wird, wir brauchen mehr Plätze in Erziehungsinstitutionen, dann wird sich schon alles gut regeln. Was machen denn Mütter und Väter von kinderreichen Familien, wenn sie mehrere Jahre aus ihrem Beruf raus sind und nicht mehr so schnell ins Berufsleben integrierbar sind, ist das überhaupt noch vorgesehen?

Aber Familie ist ja auch der alte Mensch. Was machen wir denn, wenn erwachsene Kinder ihre alten Eltern pflegen und sie eben nicht pünktlich zur Arbeit kommen können? Ich hoffe, dass diese Fragen in unserer Gesellschaft nicht nur unter dem Druck der Ökonomie gestaltet werden.

domradio.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.