"Fachpraktiker Service in sozialen Einrichtungen"

Keine Pflege, sondern Dienst am Menschen

Seit einem Jahr werden in Köln förderbedürftige Jugendliche zu "Fachpraktikern Service in sozialen Einrichtungen" ausgebildet. Ein Erfolgsmodell: Jetzt startet die Ausbildung in Bonn. Ein domradio.de-Interview mit Initiator Dr. Manfred Lütz.

Beim Gesellschaftsspiel im Altenheim / © Jürgen Blume (epd)
Beim Gesellschaftsspiel im Altenheim / © Jürgen Blume ( epd )

domradio.de: Was macht so ein "Fachpraktiker Service in sozialen Einrichtungen"?

Dr. Manfred Lütz (Chefarzt und Psychiater am Alexianer-Krankenhaus in Köln-Porz): Ein solcher Fachpraktiker liest alten Menschen in Altenheimen mal etwas vor, geht mit ihnen spazieren, geht vielleicht mal etwas einkaufen. Er zeigt menschliche Zuwendung. Altenpfleger müssen ja vieles tun, zum Beispiel auch ihre Arbeit dokumentieren. Darüber hinaus gibt es dann Menschen, die einfach mehr Zeit für die Menschen in Krankenhäusern und Altenheimen haben. 

Die Idee kommt von Franz Meurer (Pfarrer in Köln, Anm.d.Red.). Er war der Meinung, dass Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten ausführen müssen. Es gibt in Deutschland 7 Millionen funktionelle Analphabeten. Demgegenüber sind alle Ausbildungen in Deutschland sehr theorielastig. Diese 7 Millionen fallen da weg. Die Erfahrung, die ich als Psychiater habe, ist: Menschen, die vielleicht keine Klausuren bestehen können, können sozial ja sehr kompetent sein. Und wenn ich eines Tages dement bin, dann will ich nicht von einem kommunikationsgestörten Einser-Abiturienten betreut werden. 

Menschen, die im normalen Ausbildungsgängen aber keine Chance haben, eine Ausbildung zu ermöglichen, war unser Ehrgeiz. Die Industrie- und Handelskammer Köln hat da mitgemacht. Es geht bei der Ausbildung aber ganz klar nicht um Pflege, sondern um Service und Dienst am Menschen. 

domradio.de: Was überzeugt die Jugendlichen, die an dem Ausbildungsgang teilnehmen?

Lütz: In Köln haben 13 Förderschüler begonnen und 13 sind nach einem Jahr noch dabei. Niemand hat abgebrochen. Die Unterstützung ist auch wirklich groß: Alle katholischen Träger in Köln und Bonn machen mit. Und das ist ja nicht nur eine Ausbildung von zwei Jahren. Alle haben sich außerdem verplichtet, die Absolventen noch ein Jahr lang voll einzustellen. Da die Auszubildenden sozial sehr kompetente Menschen sind, glaube ich, dass die Einrichtungen sie auch länger einstellen werden. Gerade wenn es um christliche Einrichtungen geht, die ein solches Leitbild haben. 

domradio.de: Los ging's in Köln, jetzt kommt Bonn dazu. Insgesamt klingt das nach einem Plan, der erst richtig aufblüht, wenn er das ganze Land erfasst. Ist das realistisch?

Lütz: Ich glaube, dass das eine wichtige Perspektive ist. Wir haben Pflegenotstand, wir haben immer mehr Demenzkranke. Wir haben viele Familien, die zerbrechen und nicht mehr für die Pflege der Alten sorgen. Und dann halte ich es für ein Zukunftsmodell unseren Auszubildenden zu vermitteln, dass sie den Dienst am Menschen als Beruf machen und damit eine Familie ernähren können. Man muss natürlich sagen, dass nicht alle 7 Millionen funktionellen Analphabeten und förderbedürftige Jugendliche für einen solchen Beruf geeignet sind. Da wird sorgfältig von der Agentur für Arbeit ausgewählt. Und das muss auch so sein, damit die Bewohner im Altenheim oder im Krankenhaus auch Spaß an ihnen haben.

 

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR