DOMRADIO.DE: Was gibt es am Bodensee für Pilgerinnen und Pilger zu entdecken?
Beate Steger (Pilger-Expertin): Zunächst natürlich eine wunderschöne Landschaft, eine wunderschöne Ecke, die auch von anderen Touristen besucht wird. Das heißt, man ist nicht alleine am Bodensee. Auch wenn man hier pilgert, ist man nicht alleine unterwegs. Man ist aber auf eine andere Art und Weise unterwegs.
Was ich dort als ganz besonders empfinde, ist diesen Odem der Geschichte, den man noch spürt. Viele Pilgerinnen und Pilger waren hier schon ganz früh, vor fast 1.000 Jahren, unterwegs. Das ist das Besondere dort.
DOMRADIO.DE: Warum war der Bodensee schon im Mittelalter so ein besonderer Ort für Pilger?
Steger: Er war schon damals wichtig, weil die Leute noch von zuhause aus loslaufen mussten. Es gab keine anderen Möglichkeiten, wenn man auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela kommen wollte. Das heißt, man kam von Deutschland aus zwangsläufig auch am Bodensee raus, je nachdem wie man gelaufen ist. Das war ein Punkt, wo sich viele getroffen haben.
Damals machte man noch keinen Urlaub am Meer oder ähnliches. Das heißt, dieses riesige schwäbische "Meer" mit dem wahnsinnig vielen Wasser machte einem auch Angst. Man hatte wirklich Sorge, wie man da rüber kommt. Vielleicht kentert auch das Boot? Der Bodensee ist bekannt dafür, dass das Wetter dort sehr schnell umschlagen kann, dass es ganz schön gefährlich werden kann, wenn man auf dem Wasser ist.
Insofern war das eine große Herausforderung auf der Reise. Es ging auch darum, wie es weitergeht? Geht man zum Beispiel weiter Richtung Einsiedeln in der Schweiz oder geht man am Bodensee entlang und hält sich dann gen Westen Richtung Elsass, Richtung Thann? Aber es war ein Knotenpunkt, wo viele zusammengekommen sind.
DOMRADIO.DE: Pilgerwege sind oft bestimmten Heiligen gewidmet. Wen haben wir denn da am Bodensee?
Steger: Wir haben viele Heilige, die in dieser Region bekannt sind, der Heilige Gallus oder die Heilige Aurelia. Aber zwei möchte ich da herausgreifen, die auch was mit Jakobswegen oder Pilgerwegen zu tun haben.
Das ist einmal der Heilige Pirmin oder auch Pirminus. Der hat zum Beispiel schon im Jahr 724 das Kloster Reichenau gegründet. Der ist ursprünglich beim Kloster Hornbach im Pfälzischen bestattet worden. In Hornbach enden zum Beispiel die Pfälzer Jakobswege.
Es gibt auch eine Reliquie von ihm im Speyerer Dom, wo die Pfälzer Jakobswege beginnen. Pirmin begegnet einem immer wieder auch auf den Jakobswegen. Ebenso wie Schwester Ulrika. Sie ist nicht heiliggesprochen worden, sondern nur seliggesprochen worden. Für Ulrika Nisch gibt es sogar einen eigenen Pilgerweg. Das ist der Ulrika-Weg. Der endet am Kloster Hegne am Bodensee. Dort hat sie auch gelebt.
DOMRADIO.DE: Welche Pilgerwege führen sonst noch an den Bodensee und wie erkennt man sie unterwegs?
Steger: Man erkennt sie immer schön an der Jakobsmuschel, die einem wunderbar den Weg weist. Da es im Mittelalter schon so ein besonderer Ort war, wo viele angekommen sind, führen auch viele Wege dorthin.
Ein ganz wichtiger und schon sehr alter Weg, ist auch ein Jakobsweg, der in Nürnberg beginnt und über Ulm nach Konstanz oder nach Lindau geht. Außerdem haben wir die Via Beuronensis, die zum Beispiel von Rottenburg am Neckar nach Konstanz führt.
Es gibt die Münchner Jakobswege mit mehreren Varianten, die in Bregenz, also noch in Österreich enden. Und dann kann man auch direkt am Ufer langlaufen, zum Beispiel von Lindau nach Konstanz und weiter nach Stein am Rhein, wo der Rhein den Bodensee wieder verlässt. Dann geht es weiter westlich, zum Beispiel Richtung Héricourt in Frankreich. Da kommt man auf diesem Weg auch durch Friedrichshafen durch, wo man das Zeppelinmuseum besuchen könnte. Oder man kann den Bodensee überqueren, was im Mittelalter ganz oft gemacht wurde. Von dort aus geht es dann auf dem Schwabenweg weiter Richtung Einsiedeln.
Das Interview führte Anika Weiler.