Expertin für Bestattungkultur: "Exhumierung ist vertretbar"

Identitätsklärung vor Wahrung der Totenruhe

Ein spanisches Gericht hat angeordnet den Leichnam des Malers Dalí zu exhumieren. Hintergrund ist die Vaterschaftsklage einer Frau. Ob es die Sache wert ist, die Totenruhe zu stören, hat domradio.de eine Trauerexpertin gefragt.

Pilar Abel, Tochter des berühmten Malers Dalí? / © Dalmau;Ossinger (dpa)
Pilar Abel, Tochter des berühmten Malers Dalí? / © Dalmau;Ossinger ( dpa )

domradio.de: Die Frau, Pilar Abel Martínez, behauptet seit nunmehr zehn Jahren, sie sei die Tochter des berühmten Malers Salvador Dalí. Nun hat sie im Rahmen einer Vaterschaftsklage vor Gericht die Exhumierung der Leiche des Künstlers durchgesetzt. Ein DNA-Gutachten soll's nun klären. Wie schätzen Sie den Fall ein?

Eva-Maria Will (Trauerpastoral und Bestattungskultur des Erzbistums Köln): Ohne die Frau zu kennen, denke ich, was ihr zunächst mal wichtig sein dürfte, ist, dass sie ihre Identität klärt: Wer bin ich, von wem stamme ich ab, wo komme ich her, wer war mein Vater? Vermutlich spürt sie eine Unsicherheit und möchte das geklärt haben. Denn mit der eindeutigen Vaterschaft klärt sich etwa die Frage, was mich geprägt hat, was mich als Menschen ausmacht. Und jeder Mensch hat schließlich ein Recht darauf, auch eine Antwort darauf zu bekommen. Wir kennen solche Fragen durchaus auch von Adoptivkindern, die ihre leiblichen Eltern nicht kennen und nach ihren Wurzeln suchen.

domradio.de: Ich höre daraus, Sie schätzen die Herkunftsfrage wichtiger ein als die Totenruhe. Lassen Sie uns deswegen den Begriff klären. Man könnte ja auch sagen, der Mensch merkt das sowieso nicht... Warum ist die Totenruhe so wichtig?

Will: Das wäre natürlich sehr kurz gegriffen, wenn man sagt, der Tote merkt das nicht mehr und deswegen kann man mit ihm machen was man will. Dann könnte man ja genau so gut auch sagen, ein Mensch liegt im Koma, der merkt nichts mehr davon, dann kann ich auch tun und lassen was ich will. Das finde ich sehr, sehr gefährlich. Und es ist ja so, dass jeder Mensch eine Würde hat und diese Würde endet ja nicht bei einer schweren Krankheit oder auch im Todesfall, sondern die Würde des Menschen geht über den Tod hinaus. Und deswegen muss sie geachtet und geschützt werden. Und das tut nicht nur die Kirche, sondern das tut auch der Staat.

domradio.de: Ist von Seiten der Kirche eigentlich eine Exhumierung möglich?

Will: Die Kirche hat mit Exhumierungen direkt nichts zu tun, das ist eine staatliche Angelegenheit zum Beispiel, wenn es auch um ein Tötungsdelikt geht, wir kennen das aus Kriminalfilmen oder nach einem Krieg oder Massaker, wonach Massengräber entdeckt werden. Da wird dann so ein Massengrab öffnet, die Menschen herausholt. Sie werden dann einzeln bestattet, um ihnen eben diese Würde wiederzugeben. Das ist aber alles eine staatliche Angelegenheit, damit hat die Kirche nichts zu tun, also bei uns in der Kirche reden wir von Umbettung.

domradio.de: Aus welchen Gründen darf man denn Menschen umbetten?

Will: Da spielen ganz andere Gründe eine Rolle, zum Beispiel wenn ein Mann nach dem Tod seiner Frau umziehen möchte, etwa von Köln nach München, und er möchte gerne den Leichnam seiner erst kürzlich bestatteten Ehefrau "mitnehmen" und dort auf einem Friedhof in München bestatten lassen. Dieser Fall kommt im Erzbistum Köln häufig vor, dass ein Mensch das Grab eines Angehörigen in seiner Nähe haben möchte, um es besuchen und pflegen zu können. Wir wissen ja, wie wichtig das Grab als Ort der Trauer sein kann. Da gibt es also pastorale Beweggründe, warum man eine Umbettung vornehmen kann. Allerdings ist es auch hier der Fall, dass zunächst die Behörde zustimmen muss. Im nächsten Schritt muss dann der Friedhofsträger zustimmen, also in unserem Beispiel die katholische Kirche. Und da gibt es in der Regel keine Probleme.

Das Gespräch führte Heike Sicconi.


Gruft Salvador Dalís / © Roland Holschneider (dpa)
Gruft Salvador Dalís / © Roland Holschneider ( dpa )
Quelle:
DR