Experten warnen vor steigendem Medikamentenkonsum

Alt und ruhiggestellt

Experten warnen vor einem zunehmenden Gebrauch von süchtig machenden Medikamenten besonders bei älteren Menschen. 70 Prozent aller Medikamente in Deutschland würden von Senioren eingenommen, teilt die in Hamm ansässige Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) mit.

 (DR)

Nach Angaben der DHS weisen mittlerweise 1,7 bis 2,8 Millionen der über 60-Jährigen einen problematischen Gebrauch psychoaktiver Medikamente bis hin zur Medikamentenabhängigkeit auf. Die exzessive Einnahme der Schlaf- und Schmerzmittel führe bei alten Menschen häufig zu Stürzen unter anderem mit komplizierten Oberschenkelhalsfrakturen. Dadurch würden dem Gesundheitssystem gewaltige Mehrkosten entstehen.

Der Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Witten-Herdecke, Stefan Wilm, wies unterdessen auf die problematischen Wechselwirkungen bei der Einnahme von mehreren Medikamenten hin. Dies bedeute besonders für ältere Menschen ein Gesundheitsrisiko. Schätzungen zufolge würden rund 20.000 Menschen an den Nebenwirkungen von Medikamenten sterben, warnte Wilm.

Der Griff zur Pille
Der Griff zur Pille sei besonders in den Pflegeheimen verbreitet, erklärte Wilms weiter. Ein Großteil der Bewohner würde laut der Untersuchung mit Psychopharmaka ruhiggestellt. Das gelte besonders für Demenz-Patienten. Ein Zehntel der Bewohner in den untersuchten Heimen hätten mehr als drei Psychopharmaka gleichzeitig verabreicht bekommen. Psychiater und Neurologen würden im Vergleich zu Hausärzten bis zu viermal so viele Medikamente und größere Dosen verschreiben.
Für die Studie wurden Pflegeheime in Witten und Dortmund untersucht.

Die befragten Bewohner der Pflegeheime würden im Durchschnitt sechs Medikamente nehmen, erläuterte der Institutsleiter. Ein Zehntel der Pflegeheimbewohner nehme sogar mehr als zehn Mittel ein. Mehr als fünf Medikamente sollte nach Lehrmeinung kein älterer Mensch nehmen, unterstrich der Mediziner. Der Körper könne den Cocktail nicht verarbeiten, die Wechselwirkungen seien ein hohes Risiko.