Experte zur Studie über Betreuungsschlüssel in Kitas

"Mehr in Personal investieren"

Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Der Betreuungsschlüssel in Deutschlands Kitas verbessert sich, aber es fehlen immer noch rund 100.000 Fachkräfte. Doch in diese Qualität müsse man investieren, sagt Experte Reinhold Gesing bei domradio.de.

Erzieherin mit Kindergartenkindern / © Jan-Philipp Strobel (dpa)
Erzieherin mit Kindergartenkindern / © Jan-Philipp Strobel ( dpa )

domradio.de: Kitas sind Bildungseinrichtungen. Was soll den Kindern denn da mit auf den Weg gegeben werden?

Reinhold Gesing (Fachberater Tageseinrichtung für Kinder bei der Caritas im Erzbistum Köln): Die Kinder werden natürlich in erster Linie betreut, damit die Eltern beruhigt arbeiten gehen können. Aber bestenfalls sollen Kinder dort viele Lernchancen mit altersgleichen, aber auch altersverschiedenen Kindern erhalten. Sie sollen viele Sachen kennenlernen und sich an Bildungsentwicklung bereichern. Kinder sollen Spaß und Spiel erleben können und eine Menge lernen.

domradio.de: Wenn nun Fachkräfte fehlen, bedeutet dies doch auch, dass eine Betreuerin für viele Kinder da sein muss. Kann man dann wirklich noch einem Bildungsauftrag gerecht werden, oder geht es dann nur noch ums Versorgen?

Gesing: Kinder, die aus guten Elternhäusern kommen, werden mit einem schlechten Betreuungsschlüssel wahrscheinlich ganz gut zurecht kommen. Deren Bildungsanregung zuhause bereitet im Grunde vieles für das Leben vor. Wer aber schon mit Nachteilen in die Kita kommt, weil es zuhause nicht so rund läuft, der leidet dann darunter, wenn sich in der Kita die Erwachsenen nicht um das Kind kümmern können. Von daher muss man einfach annehmen, dass sich die Benachteiligung dort fortsetzt.

domradio.de: Nun lautet ein Pro-Kita Argument, dass Kindern aus etwas schwierigeren Elternhäusern zu mehr Chancen im Leben verholfen werden soll. Kann man das, indem man am Personal spart?

Gesing: Kinder aus benachteiligten Milieus sollten zur Erhöhung der Chancengleichheit in der Kita besonders gefördert werden. Das kann natürlich nur gelingen, wenn auch genügend Personal da ist. Das muss man in Zweifel ziehen, wenn aufgrund von Alltagsrealitäten Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen oder an Fortbildungen teilnehmen. Der Alltag sieht ohnehin schon immer vor, dass nicht alle Mitarbeiter an Bord sind.

domradio.de: Die Studie sagt auch, dass sich die Situation der frühkindlichen Betreuung in Deutschland zwar grundsätzlich verbessert hat, aber dass noch lange nicht alles gut ist. Woran liegt es, dass es so langsam voran geht? Eigentlich müsste doch allen klar sein, dass Kinder unsere Zukunft sind und wir auch in diese Zukunft investieren müssen, oder?

Gesing: Ich glaube, das ist allen klar. Ich denke, es mangelt am politischen Willen. Mit kleinen Kindern muss man ja spielen und das ist vielleicht nicht so wichtig, wie ein Gymnasium zu fördern. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass man in der frühkindlichen Erziehung viel investieren müsste, sind sehr alt. Alle wissen es, aber zur richtigen politischen Konsequenz führt das bisher noch nicht. Es ist zwar besser geworden, aber es reicht hinten und vorne noch nicht.

domradio.de: Die Erkenntnisse dieser Studie sind für Sie also nicht neu und verwunderlich. Welche Lehre würden Sie denn jetzt aus der Studie ziehen oder wie verstärkt das noch Ihren Appell an die Politik?

Gesing: Es ist ja alles bekannt. Der Personalschlüssel ist sicherlich die entscheidende Größe, um Qualität in den Kitas zu fördern und zu sichern. Man muss noch mehr Geld in die Hand nehmen und einen besseren Personalschlüssel anstreben. Sonst stagniert es auf diesem Niveau.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR