Experte gibt Katholiken in Bayern Tipps zur Armutsbekämpfung

Wenig Einkommen bedeutet nicht sozial schwach

Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge sieht eine Schieflage in Deutschland beim Sprechen über Arme und Reiche. Arme als "sozial Schwache" zu bezeichnen, sei unangemessen, sagte Butterwegge vor Katholiken in Bayern.

Essensausgabe für Bedürftige / © addkm (shutterstock)
Essensausgabe für Bedürftige / © addkm ( shutterstock )

"Ich erlebe bei solchen Menschen viel Stärke, zum Beispiel wenn Kinder suchtkranker Eltern Verantwortung für ihre Geschwister übernehmen. Die sind einkommensschwach, aber nicht sozial schwach." Und er fügte hinzu: "Als sozial schwach würde ich Reiche bezeichnen, die ihre Steuern nicht zahlen."

Er sprach am Samstag bei der Vollversammlung des Landeskomitees der Katholiken in Bayern. 

Chancengleichheit?

Der Forscher sagte, soziale Ungleichheit in Deutschland habe stark zugenommen. Bildung etwa sei heute kein Garant mehr, um aus der Armutsgefährdung herauszukommen. So seien elf Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor Akademiker. Heute hänge mehr denn je davon ab, in welche Familie jemand hineingeboren werde.

"Wo eine Villa ist, da ist ein Weg." 90 Kinder unter 14 Jahren hätten in Deutschland von ihren Eltern 29,4 Milliarden steuerfrei geschenkt bekommen. Dabei handle es sich um Betriebsvermögen sogenannter Familienunternehmen. "Woanders würde man von Oligarchen sprechen."

Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und Armutsforscher / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler und Armutsforscher / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Der Forscher äußerte sich auf Schloss Hirschberg bei Beilngries. Das Landeskomitee hatte ihn zu einem Studientag zur Armutsbekämpfung als Fachmann geladen.

Politische Lösungen nötig

Butterwegge sagte, er habe nichts gegen Wärmestuben und Sozialkaufhäuser. Die weiter gewordene Schere zwischen Arm und Reich sei aber durch politische Fehlentscheidungen systematisch produziert worden. Deswegen könne das Problem auch nur politisch gelöst werden. Ein wichtiger Faktor dafür sei, Ungerechtigkeiten im Steuersystem zu beseitigen, etwa bei der Behandlung von Kapitalerträgen und Arbeitseinkommen.

Der Wissenschaftler empfahl den Kirchen, breite Bündnisse zu schließen, etwa mit Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, um auf allen Ebenen politisch Druck zu machen.

Wer gilt als armutsgefährdet?

Als armutsgefährdet gilt laut Statistischem Bundesamt, wer als Alleinstehender über ein Einkommen von maximal 13.628 Euro im Jahr verfügt.

Diese Entwicklung wird sich nach Ansicht von Wirtschaftsexperten in den nächsten Jahren massiv verschärfen, zumal Altersarmut in den nächsten Jahren noch einmal deutlich zunehmen wird. Denn immer mehr Menschen arbeiten zu geringen Löhnen oder in Teilzeit oder haben unterbrochene Erwerbsbiografien.

Besonders Familien mit drei oder mehr Kindern sind von Armut betroffen / © Ralf Geithe (shutterstock)
Besonders Familien mit drei oder mehr Kindern sind von Armut betroffen / © Ralf Geithe ( shutterstock )
Quelle:
KNA