Experte für interreligiösen Dialog bezeichnet Islam als grundgesetzkonform

"Feindbildaufbau für den Stimmenfang"

Die AfD propagiert, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Dem widerspricht der Referatsleiter für den interreligiösen Dialog beim Erzbistum Köln - und bezeichnet den Aufbau des Islams als Feindbild als Mittel zum Stimmenfang.

Muslime beim Gebet / © Fredrik von Erichsen (dpa)
Muslime beim Gebet / © Fredrik von Erichsen ( dpa )

domradio.de: Was sagen Sie denn? Gehört der Islam zu Deutschland oder nicht?

Dr. Werner Höbsch (Referatsleiter Dialog und Verkündigung beim Erzbistum Köln): Die Aussage, die Muslime gehören zu Deutschland, ist unumstritten und der Islam ist die Religion der Muslime. Daher gehört der Islam wie die Muslime zu Deutschland. Da gibt es keine Abstriche.

domradio.de: Kurz vor dem AfD-Parteitag hat sich jetzt der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen zu Wort gemeldet und den Wunsch geäußert: "Ich will, dass auch für meine Enkel hier zu Hause noch das Geläut der Kirchenglocken das geistliche Geräusch ist und nicht der Ruf des Muezzins." Ich glaube, da würden jetzt ganz viele übereinstimmend nicken. Aber ist die Aufregung überhaupt berechtigt?

Höbsch: Ich wünsche mir auch für meine Enkel das Geräusch und den Klang der Kirchenglocken. Aber in einer Gesellschaft, die zunehmend religiös und kulturell plural wird, wird dann eben auch die Moschee ihren Ort in dieser religiösen Landschaft haben. Die Aufregung halte ich für herbeigeredet, weil wir zurzeit etwa vier Millionen Muslime im Land haben. Das sind, wenn man alle dazurechnet, noch keine zehn Prozent unserer Gesamtbevölkerung. Von daher wird die Gefahr, dass die Kirchenglocken nicht mehr zu hören sind, eher von den Menschen kommen, die nicht mehr zur Kirche gehen, als vom Islam und den Muslimen. Wer will, dass die Kirchenglocken weiter zu hören sind, der sollte auch in die Kirche gehen, soweit er oder sie Christ oder Christin ist.

domradio.de: Unser Kölner Erzbischof, Kardinal Woelki, hat in seinem Bischofswort am Sonntag bei uns gesagt, die AfD sei sowieso keine Alternative. Stattdessen gehöre der Islam zu Deutschland. Das hat in den sozialen Medien für große Aufregung gesorgt. Der Kardinal ist auch heftig beschimpft worden. Was glauben Sie denn, warum diese Reaktionen gekommen sind? Ist das "Islamophobie"? Was steckt dahinter?

Höbsch: Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich auch sehr viele positive Stimmen gehört habe  - gestern noch bei einer Veranstaltung, wo Menschen sich sehr eindeutig und klar geäußert haben, dass es gut sei, dass sich der Kardinal mit deutlichen Worten geäußert hat. Ich denke, dass wir zurzeit hier in Deutschland eine Situation durchmachen, wo geklärt werden muss, wie wir die Zukunft einer mehrkulturellen und mehrreligiösen Gesellschaft gestalten. Da tauchen Ängste auf, die aber auch von rechtspopulistischen Kreisen geschürt werden. Ich sehe, dass der Islam ein Feindbild geworden ist, mit dem sich Stimmen einfangen lassen. Dieses Feindbild wird dann so geschürt. Es werden dann Definitionen über den Islam vorgelegt, die dem eigenen Wunschbild entsprechen, aber nicht der Realität. Der Islam in Deutschland ist ein vielgestaltiges Gebilde, ist selber noch einmal plural, und die weitaus größte Mehrheit der Muslime hier in Deutschland will in Frieden leben. Für diese ist ganz fraglos die Anerkennung des Grundgesetzes und der Demokratie gegeben. Diese Muslime stellen das überhaupt nicht infrage. Es werden aber Feindbilder aufgebaut, der Islam wolle die Demokratie zerstören und sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Das Interview führte Verena Tröster.


Dr. Werner Höbsch / © privat
Dr. Werner Höbsch / © privat
Quelle:
DR