Ex-Vatikanbotschafterin kritisiert Verhältnis zum Vatikan

Franziskus mag keinen "Small Talk"

Die Beziehungen zwischen der Kirche in Deutschland und der römischen Kurie seien derzeit "verkorkst". Das sagt die ehemalige deutsche Vatikanbotschafterin Annette Schavan. Außerdem setze der Papst seine Schwerpunkte außerhalb Europas.

Papst Franziskus spricht / © Alessandra Tarantino (dpa)
Papst Franziskus spricht / © Alessandra Tarantino ( dpa )

"In Deutschland meinen einige, niemand könne so toll Theologie wie sie. Und in Rom meinen einige, die Deutschen müsse man mal klein machen", sagte die ehemalige deutsche Vatikanbotschafterin Annette Schavan im Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". Gleichzeitig rät sie zum offenen Gespräch mit Papst Franziskus: "Er mag keinen ehrerbietigen Small Talk und schätzt Ehrlichkeit."

Römische Kurie

Die Römische Kurie ist die Gesamtheit der Behörden und Gerichte, die der Papst zum Regieren der Weltkirche nutzt. Dazu gehören das Staatssekretariat, Kongregationen, Gerichtshöfe, Dikasterien und Päpstliche Räte sowie die Kommissionen. 

Seit der Kurienreform von 1967 unter Papst Paul VI. hatte das Staatssekretariat eine Vorrangstellung unter den Kurienbehörden. Für neue Aufgaben schuf er weitere Sekretariate und Räte, so für Ökumene, für den Dialog mit Nichtchristen und Nichtglaubenden, für Familie und Laien.

Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei (KNA)
Die Kurie bei Papst Franziskus / © Stefano Carofei ( KNA )

Deutsche Bürokratie dem Papst fremd 

Zwar lägen viele Ziele des deutschen Reformprozesses Synodaler Weg und der von Franziskus einberufenen Weltsynode nah beieinander, so Schavan weiter. Doch sei dem Papst aus Argentinien die bürokratische Arbeitsweise in Deutschlands Kirche, die "wie ein Ministerium" funktioniere, fremd.

Zudem stehen aus Sicht der ehemaligen Botschafterin Deutsche wie Europäer allgemein weniger im Zentrum des päpstlichen Denkens. Gerade durch seinen Einsatz in der Flüchtlingspolitik demonstriere Franziskus, dass er zu einer globaleren Perspektive der Kirche wolle, als seine Vorgänger sie vertreten hatten. "Wir müssen uns damit abfinden, dass dieser Papst nicht tut, was wir erwarten, sondern eigene Schwerpunkte setzt", betonte Schavan. So fordere er die europäischen Staaten nachdrücklich zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik auf. "Das macht manchen Angst. Sie haben den Eindruck, Franziskus schickt ihnen die Flüchtlinge."

Kampf dreier Gruppen

Für die am Mittwoch in Rom gestartete Sitzungsperiode der Weltsynode sagt die Ex-Diplomatin "noch härtere Konflikte" voraus. "Der Kampf wird sich abspielen zwischen drei Gruppen. Denen, die eine Erneuerung der Kirchenverfassung wollen, denen, die Erneuerung innerhalb der bestehenden Ordnung wollen, und denen, die jede Neuerung als Angriff auf die Kirche verstehen."

Schavan saß für die CDU lange im Bundestag. Von 2005 bis 2013 war sie Bundesbildungsministerin, von 2014 bis 2018 deutsche Botschafterin im Vatikan. Die 68-Jährige hat unter anderem katholische Theologie studiert.

Annette Schavan

Wie wir zu einer Erinnerungskultur in Zukunft kommen, wenn es keine Zeugen der Nazibarbarei mehr gibt, und wie die jeweils junge Generation befähigt und motiviert werden kann, Träger einer künftigen Erinnerungskultur zu werden – dieser Frage gilt das besondere Interesse von Annette Schavan.

Annette Schavan / © Laurence Chaperon (lc)
Annette Schavan / © Laurence Chaperon ( lc )
Quelle:
KNA