Ex-Diktator Taylor weist Verantwortung für Kriegsverbrechen zurück

"Ich bin ein Ehrenmann"

Charles Taylor gab sich vor Gericht als Ehrenmann und wies die Verantwortung für Kriegsverbrechen in Sierra Leone zurück. Doch das Tribunal hat ihn bereits schuldig gesprochen - nun wartet der Ex-Präsident auf die Verkündung des Strafmaßes.

 (DR)

Liberias Ex-Diktator Charles Taylor hat die Verantwortung für Kriegsverbrechen in Sierra Leone zurückgewiesen. "Ich bin ein Ehrenmann", sagte der 64-Jährige am Mittwoch vor dem Sondertribunal zu Sierra Leone in Leidschendam bei Den Haag. Das von den Vereinten Nationen unterstützte Gericht hatte Taylor Ende April wegen seiner Rolle im Bürgerkrieg im Nachbarland Sierra Leone schuldig gesprochen. Über das Strafmaß entscheiden die Richter am 30. Mai. Die Anklage fordert 80 Jahre Haft.



Taylor verlas vor dem Tribunal eine halbstündige Erklärung, in der er sich erstmals zu dem Urteil äußerte. Darin beschrieb er sich als Opfer der Interessen der USA in der Region. Den Opfern des Bürgerkriegs sprach er sein Mitgefühl aus, wies aber die Verantwortung für die Verbrechen zurück. Zugleich bat er um ein mildes Urteil. Als Familien- und Großvater sei er "keine Bedrohung für die Gesellschaft". In seiner Heimat könne er aber für Versöhnung sorgen.



Rund 120.000 Menschen starben im Krieg in Sierra Leone

Bei dem Krieg in Sierra Leone von 1991 bis 2002 waren schätzungsweise 120.000 Menschen getötet und Tausende verstümmelt worden. Die Richter des Sondertribunals hatten es als erwiesen angesehen, dass Taylor die wegen ihrer Grausamkeit berüchtigten Rebellen im Nachbarland Liberias von 1996 bis 2001 militärisch unterstützt und beraten hat. Dem Urteil zufolge hat Taylor die Rebellen im Tausch gegen Diamanten mit Waffen versorgt und sie zu Terrorakten gegen die Zivilbevölkerung angestiftet.



Chefanklägerin Brenda Hollis hält die Forderung von 80 Jahren Haft wegen der "extremen Brutalität" und des Ausmaßes der Verbrechen für gerechtfertigt. Mord, Vergewaltigung, Verstümmelungen und Sklaverei hätten solche traumatischen Folgen für die Opfer und ihre Angehörigen, dass keine mildernde Umstände gelten dürften. Die Verteidiger haben hingegen eine faktisch lebenslange Haftstrafe als völlig unangemessen zurückgewiesen.



Taylor wird seine Strafe in einem britischen Gefängnis verbüßen. Der Prozess war 2008 aus Sicherheitsgründen in die Niederlande verlegt worden. Das Taylor-Urteil vom April ist der erste Schuldspruch eines internationalen Tribunals gegen ein ehemaliges Staatsoberhaupt seit der Verurteilung des Hitler-Nachfolgers Karl Dönitz 1946 in den Nürnberger Prozessen.